Der Nationalsozialismus wirft lange Schatten: Die Ermordung von rund sechs Millionen Juden belastet das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel schwer. Nach der Gründung des Staates Israel im Mai 1948 dauert es bis zum ersten Besuch eines israelischen Staatsoberhaupts in der Bundesrepublik noch fast 39 Jahre.
Am 6. April 1987 ist es so weit: Der israelische Staatspräsident Chaim Herzog beginnt seine fünftägige Visite in Westdeutschland. Vorab hat er den Staatsbesuch als "Symbol des Sieges der Opfer des Holocausts über ihre Henker" bezeichnet. Es sei "keine Reise des Vergebens und Vergessens", sondern vielmehr der "offenkundige Beweis des Scheiterns der Nazis", die das jüdische Volk "von der Erde tilgen wollten."
Zuerst nach Bergen-Belsen
Nach politischen Gesprächen in der Bundeshauptstadt Bonn sucht Herzog am ersten Tag seines Aufenthaltes das ehemalige Konzentrationslager Bergen-Belsen auf - zum Gedenken an rund 50.000 Tote. Im Zweiten Weltkrieg hat er als Soldat in jener britischen Einheit gekämpft, die das Lager im April 1945 befreit hat. "Die emotionalste Station meines Deutschlandbesuchs ist Bergen-Belsen", so Herzog. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) erklärt gegenüber dem Staatsgast: "Wir wollen diese Verbrechen nie vergessen, und wir werden uns gegen jeden Versuch zur Wehr setzen, dies zu verdrängen oder zu verharmlosen."
Die nächste Station von Herzogs Besuch ist Worms. Dort stand bis zur sogenannten Kristallnacht im November 1938 die älteste Synagoge Europas aus dem elften Jahrhundert. Danach reist Herzog nach Berlin, in die Stadt, in der die Judenvernichtung geplant und beschlossen worden ist. Auf dem Programm steht unter anderem auch die Hinrichtungsstätte Plötzensee.
Deutschlands historische Verantwortung
Wegbereiter des Staatsbesuchs ist Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes, am 8. Mai 1985, hinterlässt in Israel großen Eindruck: "Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, der wird am Ende blind für die Gegenwart."
Überschattet wird Herzogs Besuch durch Äußerungen von Entwicklungshilfeminister Hans Klein (CSU), der sich kurz zuvor für Waffenlieferungen an Saudi Arabien ausgesprochen hat. NRW-Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) kritisiert entsprechende Überlegungen und Herzog stellt umgehend klar, "dass Deutschland eine historische Verantwortung für das Überleben von Israel hat".
Stand: 06.04.2012
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