Szene aus der Aufführung der "Carmina Burana" von Carl Orff im Württembergischen Staatstheater in Stuttgart am 27.02.1941

Stichtag

8. Juni 1937 - Carl Orffs "Carmina Burana" werden uraufgeführt

Beim Stöbern in einem Antiquariatskatalog fällt Carl Orff dieser Titel auf: "Carmina Burana - Lateinische und deutsche Lieder und Gedichte". Es handelt sich um eine Handschrift aus dem 13. Jahrhundert, die erst im 19. Jahrhundert im Kloster Benediktbeuren in Oberbayern entdeckt worden ist. Am Gründonnerstag 1934 hält der Münchner Dirigent, Komponist und Musikpädagoge das Buch in Händen. Auf dem Titelblatt ist das Schicksalsrad abgebildet, über dem die Glücksgöttin Fortuna thront.

"Bild und Worte überfielen mich", erinnert sich der damals knapp 40-Jährige später. Es "stand sofort ein Bühnenwerk mit Sing- und Tanzchören in Gedanken vor mir." Von den 250 Gedichten wählt Orff einen Zehntel aus und komponiert die "Carmina Burana" ("Lieder aus Beuren"): eine "szenische Kantate" für einen Chor von über 200 Stimmen und ein Sinfonieorchester mit Glocken, Blockflöten und Klavier.

Saufen und Sex

Auch wenn die lateinischen und mittelhochdeutschen Texte modernen Hörern zumeist rätselhaft bleiben, machen die mitreißende Musik und die bildhaften Schilderungen deutlich, worum es geht: um Saufen und Sex, um Frühlingsgefühle und Schicksal. Am 8. Juni 1937 werden die "Carmina Burana" in Frankfurt am Main uraufgeführt.

Orffs einzige Tochter Godela erinnert sich an die Vorstellung in der Frankfurter Oper. Nach dem ersten Teil herrscht Totenstille. "Ich hab mich so furchtbar aufgeregt und da schrei ich in dieses Riesenopernhaus hinein: 'Warum klatschen denn die Scheißkerle nicht?!'" Dann löst sich die Spannung in Gelächter und Applaus.

"Genialer Anpasser"

Die "Carmina Burana" werden das erfolgreichste Werk klassischer Musik aus dem 20. Jahrhundert. Musikwissenschaftlerin Susanne Gläß vergleicht den Erfolg mit jenem des Rockmusicals "Hair": "Beide handeln von Sexualität, in einer ganz offenen Form jeweils."

"Orff war zweifelsohne nicht nur als Komponist genial", urteilt Gläß. "Er war auch genial darin, sich an die jeweiligen Zeitströmungen anzupassen." So sei er nicht nur im Faschismus erfolgreich gewesen, sondern nahtlos auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Orff hatte schon vor seinem Erfolg mit "Carmina Burana" für die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 1936 in Berlin einen "Reigen" komponiert. Die Schriftstellerin Luise Rinser, Orffs dritte Frau, zeichnet kein schmeichelhaftes Bild ihres Mannes, der 1982 mit 86 Jahren gestorben ist: "Er hat die Menschen benützt." Er habe niemanden geliebt.

Stand: 08.06.2012

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