Gegen 18 Uhr fällt am 5. März 1969 im dritten Wahlgang die Entscheidung: Mit einem hauchdünnen Vorsprung von sechs Stimmen wählt die Bundesversammlung Gustav Heinemann zum neuen Präsidenten. Der ehemalige Justizminister gewinnt gegen seinen Ex-Ministerkollegen Gerhard Schröder, der in der großen Koalition für die Verteidigung zuständig ist.
Der 1899 in Schwelm geborene Heinemann hat er schon viele politische Stationen hinter sich: CDU-Gründungsmitglied, Essener Oberbürgermeister, NRW-Justizminister, Innenminister unter Adenauer, Gründer der Gesamtdeutschen Volkspartei ... 1957 tritt er in die SPD ein. Seine Wahl zum Bundespräsident ist Vorbote des Machtwechsels in Bonn. Ein halbes Jahr später zieht auch der erste Genosse ins Kanzleramt ein: Willy Brandt.
"Es gibt schwierige Vaterländer. Deutschland ist eines davon", sagt der neue Präsident in seiner Antrittsrede. Mit solchen Sätzen gibt Heinemann Denkanstöße, erregt aber auch Anstoß. Auf die Frage, ob er den Staat liebe, antwortet Heinemann: "Ich liebe meine Frau." Der engagierte Protestant - während der NS-Zeit aktiv in der oppositionellen "Bekennenden Kirche" - ist überzeugter Pazifist, sucht das Gespräch mit der rebellierenden Jugend und unterstützt die Entspannungspolitik der neuen Bundesregierung. Aus Altersgründen verzichtet er 1974 auf eine erneute Kandidatur. Zu seinem Nachfolger wird Walter Scheel gewählt. Heinemann stirbt zwei Jahre später in Essen. 1999 zieht seine Enkelin Christina in die Residenz des Bundespräsidenten - als First Lady und Frau von Johannes Rau.
Stand: 05.03.04