Die Spanische Grippe ist nicht in Spanien, sondern in einem Schweinestall in den USA entstanden. Im Bundesstaat Kansas infiziert sich Anfang 1918 ein Schwein mit Grippeviren von Menschen und Vögeln. Das Erbmaterial der beiden Krankheitserreger verbindet sich. "Schweine stellen eine Art Mischgefäß für diese Viren dar: Sie können relativ leicht von menschlichen und von Vogelviren infiziert werden", erklärt der Virologe und Influenza-Experte Christoph Scholtissek, der früher an der Universität Gießen lehrte.
Rekruten aus Kansas erkranken an Grippe
1917 treten die USA in den Ersten Weltkrieg ein und im März 1918 werden Rekruten aus Kansas in ein nahegelegenes Militärcamp eingezogen. Dort erkranken bald viele Soldaten an einer scheinbar normalen Grippe. Im April 1918 bringt ein Truppentransporter den Virus nach Frankreich, im August mutiert es spontan: Es wird zum todbringenden Erreger und breitet sich bis nach Indien und Neuseeland aus.
Blutlachen, Stöhnen und Geschrei
Im Gegensatz zu normalen Influenza-Viren - die vor allem Kinder und Ältere gefährden - sterben bei der Spanischen Grippe nicht die Schwachen, sondern Menschen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Die Ärzte sehen, wie die Füße der Kranken schwarz werden, wie in den Gesichtern bräunliche Flecken entstehen und wie die Patienten an ihrem eigenen Blut in der Lunge ersticken. Besonders schlimm sind die Zustände auf den US-Truppentransportern über den Atlantik. "Vom Nasenbluten der Patienten hatten sich überall Blutlachen gebildet … Stöhnen und Geschrei, es war die Hölle los. Am Morgen befahlen Offiziere, die Mannschaftsräume unter Deck zu säubern und Tote und Kranke heraufzuholen. Doch die Truppe verweigerte den Befehl … Keine Drohung konnte diesen Männern mehr Furcht einflößen als die unter Deck wütende Pestilenz", schreibt ein Beobachter. Informationen über das Ausmaß der Grippewelle werden in den kriegsbeteiligten Ländern jedoch unterdrückt. Nur aus dem neutralen Spanien kommen erste Nachrichten und die Seuche erhält den Namen Spanische Grippe.
Vermutlich 50 Millionen Menschen sterben daran, mehr als im Ersten Weltkrieg. Allein in Köln gibt es binnen zehn Tagen 324 Grippe-Tote. Am schlimmsten betroffen ist Indien, wo es bis zu zwölf Millionen Tote gibt.
Eine Grippe-Pandemie kann wiederkehren
Im Schnitt entsteht etwa alle 30 Jahre eine schwere weltweite Grippe-Epidemie, eine sogenannte Pandemie. 2009 geht die Schweinegrippe um, doch die Viren mutieren nicht - vielleicht wegen der rechtzeitigen Impfungen. Die Weltgesundheitsorganisation versucht, den nächsten gefährlichen Virus rechtzeitig zu entdecken. Sollte der Virus jedoch spontan mutieren, würde die Medizin wie 1918 an ihre Grenzen stoßen. Allein für Deutschland rechnet die Weltgesundheitsorganisation mit 12 Millionen Erkrankten.
Stand: 11.03.2013
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