Man stelle sich vor, der 1. FC Köln gewinnt den DFB-Pokal und keiner feiert die "Geißböcke". Klingt unmöglich, ist aber passiert. Als die Mannschaft den "Pott" am 12. Juli 1983 beim Siegerempfang im Rathaus triumphierend in die Höhe stemmt, spenden gerade einmal 500 Fans höflich Applaus.
Jubel brandet erst auf, als die unterlegenen Kicker von Fortuna Köln kommen – ohne Pokal, dafür mit Blumen, die sie an ihre Anhänger verteilen. Tags zuvor hatten noch 60.000 Zuschauer im Müngersdorfer Stadion miterlebt, wie Fußball-Geschichte geschrieben wurde. Zum ersten und bis heute einzigen Mal trafen im Endspiel des DFB-Pokalwettbewerbs 1982/83 zwei Mannschaften aus einer Stadt aufeinander.
"Dat Vereinche" gegen Stars der Nationalmannschaft
Der Zweitligist Fortuna Köln ist durch Siege über Eintracht Braunschweig und Borussia Mönchengladbach bis ins Halbfinale vorgedrungen. Dort räumt "dat Vereinche", wie Fortuna-Boss Jean Löring seinen Vorort-Klub feixend nennt, Borussia Dortmund als dritten Bundesligisten mit 5:0 ab. Seit 1967 hat der fußballverrückte Elektro-Unternehmer Löring etliche Millionen Mark in die Fortuna gepumpt und sie von der Regionalliga bis auf einen Stammplatz in der 2. Bundesliga gehievt.
Mit dem sensationellen Finaleinzug kann "dä Schäng", wie Löring bei den Kölnern heißt, den größten Erfolg der Vereinsgeschichte feiern. Dagegen ist die Endspiel-Teilnahme des 1. FC Köln kaum eine Überraschung. Nur im Halbfinale gegen den VfB Stuttgart muss sich die Star-Truppe des holländischen Trainers Rinus Michels anstrengen und gewinnt erst nach Verlängerung 3:2. Dennoch geht der FC natürlich als klarer Favorit in das Kölner Stadt-Duell um den Pokal. Immerhin kann der dreimalige deutsche Meister und Pokalgewinner mit Torhüter Toni Schumacher, Pierre Littbarski, Klaus Allofs und Klaus Fischer erprobte Nationalspieler aufbieten.
Pfeifkonzert für die Sieger
Doch schon kurz nach Anpfiff wird den behäbig agierenden "Geißböcken" klar, dass die Underdogs aus der Südstadt nicht vor Ehrfurcht erstarren werden. Angetrieben von "Mittelfeldmotor" Hannes Linßen machen die Fortunen mit Hans-Jürgen Gede, Bernd Grabosch und Dieter Schatzschneider der FC-Abwehr das Leben schwer. Der vermeintliche Favorit dagegen enttäuscht durch ideenlosen Angsthasen-Fußball. Beim Pausenstand von 0:0 gehören die Sympathien der meisten Zuschauer längst der frechen Fortuna. Doch Jean Lörings Mannen treffen nicht in Schumachers Tor und der eigene Schlussmann Bernd Helmschrot hat nicht seinen besten Tag erwischt.
In der 68. Minute kann er eine Flanke von Allofs nicht festhalten, Abstauber Littbarski nutzt den Patzer zum 1:0. Bis zum Ende verwaltet der 1. FC Köln die Führung, ohne eine weitere Torchance zu erspielen. Beim Schlusspfiff muss sich der Pokalgewinner ein gellendes Pfeifkonzert von den Rängen anhören und Heinz Flohe, der frühere FC-Kapitän, schimpft lautstark: "Das war doch zum Heulen!" Die Fortuna wird als moralischer Sieger mit Ovationen verabschiedet. Bis heute hat der 1. FC Köln keinen Titel mehr errungen und zuletzt den Wiederaufstieg in die Bundesliga verpasst. Der Lokalrivale Fortuna stürzt nach dem Abschied von Klub-Patriarch Löring 2001 zeitweilig bis in die Fünftklassigkeit ab und spielt derzeit in der Regionalliga.
Stand: 11.06.2013
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