Was soll nur aus dem Rheinland werden? Noch vor der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg stellen sich die Bewohner der Region besorgt diese Frage. Es kursieren die wildesten Gerüchte. "Viele sagen, wir würden französisch", notiert der Archivar des Eifelstädtchens Andernach im September 1918 in sein Tagebuch. "Andere behaupten, das Rheinland müsse ein Pufferstaat werden zwischen Frankreich und Deutschland."
Im Dezember 1918 spricht sich der Kölner Bürgermeister Konrad Adenauer von der katholischen Zentrumspartei dafür aus, sich vom evangelischen Preußen loszulösen, dem die Region seit 1815 angehört, und einen Rheinstaat innerhalb des Reichsverbands einzurichten. Der Plan scheitert an der Gegenwehr anderer Bürgermeister. Fortan wird er von separatistischen Splittergruppen vertreten.
"Die Stunde der Freiheit hat geschlagen!“
Einer der aktivsten Separatisten ist der in Bonn geborene Jurist Hans Adam Dorten, der das von britischen Truppen besetzte Rheinland mit Hilfe Frankreichs von Preußen lösen will. Anfang Juni 1919 ruft er in Wiesbaden erstmals eine "Rheinische Republik" aus. Diesmal verhindert Adenauer, ganz Staatsdiener, den Plan: Nach Rücksprache mit dem britischen Generalgouverneur lässt er in Köln einen Aushang plakatieren, wonach eine eigene Republik für die Briten nicht in Frage käme. Ohne Köln aber muss die Umsetzung scheitern. "Damit", schreibt Adenauer in seinen Lebenserinnerungen, "war der Separatistenputsch erledigt".
Aber die Stunde der Separatisten wird noch einmal kommen. Als Reparationszahlungen ausbleiben, besetzen französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet. Demonstranten werden getötet, Zehntausende der von Berlin aus zum Streik ermunterten Arbeiter ausgewiesen. Die Inflation macht den Menschen ebenso zu schaffen wie Hunger und soziales Elend. Am 21. Oktober 1923 stürmen bewaffnete Separatisten mit Rückendeckung der Besatzer unter der Leitung des Industriellen Leo Deckers das Rathaus von Aachen.
"Die Stunde der Freiheit hat geschlagen!", verkündet Deckers aus dem Kaisersaal. "Mit dem heutigen Tage proklamieren wir die freie, unabhängige Republik Rheinland." In einem Dreieck zwischen Trier, Wesel und Dortmund soll sich der autonome Staat positionieren – mit einer eigenen Hymne und dem "Rheinfranken" als Währung.
Mangel an Unterstützung
Die Proklamation löst in Aachen Tumulte aus. Es kommt zu Straßenkämpfen. Derweil gelingt es den Separatisten in anderen Städten wie Duisburg, Jülich, Mönchengladbach oder Bonn, Rathäuser und wichtige Gebäude zu besetzten. Hans Adam Dorten stürmt mit Gleichgesinnten das Schloss von Koblenz.
Letztlich aber scheitern die Rheinischen Republikaner an mangelnder Unterstützung: Weder die Bevölkerung noch die etablierten Kräfte aus Wirtschaft und Politik sind für die Sache zu gewinnen, und auch die Besatzungsmächte verlieren das Interesse. Aachen ist schon Anfang November wieder fest in reichsdeutscher Hand, andere Städte folgen kurze Zeit später nach. Die Separatisten zerstreuen sich. Das Jahr 1925 kann Konrad Adenauer in Köln bereits wieder unbesorgt mit einer Ausstellung zur 1000-jährigen Zugehörigkeit des Rheinlands zu Deutschland feiern.
Stand:21.10.2013
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