Stichtag

5. Januar 1876 - Konrad Adenauer wird geboren

Als junger Mann hat Konrad Adenauer ständig Ideen, die die Welt verbessern. Er entwirft zum Beispiel einen von innen beleuchteten Stopfpilz, den man zum Stopfen vom Strümpfen gebraucht. Oder eine rotierende Walze am Kopf der Straßenbahn, die Fußgänger zur Seite fegt. Berühmt wird er dennoch als Politiker, als Kölner Oberbürgermeister (1917 bis 1933) und erster Bundeskanzler der BRD (1949 bis 1963). Sein Stil ist autoritär, bisweilen brüsk und verletzend, aber der jungen Demokratie verpflichtet. 1965 erklärt er: "Dass man die Schwächen der Menschen als Kalkül bei allen Überlegungen einschaltet, das ist wohl klar." Doch die Herausforderungen zu Beginn seiner Kanzlerschaft sind enorm: Wiederaufbau der Städte, Eingliederung von zehn Millionen Vertriebenen, Demokratisierung von Millionen ehemaliger NSDAP-Anhänger, Aufbau der CDU als Bundespartei, dazu die Oberhoheit der drei westlichen Besatzungsmächte. "Es musste alles neu gemacht werden", stellt er 1953 fest, als er auf die erste Legislaturperiode zurückblickt.

Adenauer wird "Graupenauer"

Geboren wird Konrad Adenauer am 5. Januar 1876 in Köln als Sohn eines Kanzleirats. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratet er die 20 Jahre jüngere Gussie Zinsser. Adenauer, ein gläubiger Katholik, hat aus beiden Ehen sieben Kinder. Mitten im Ersten Weltkrieg wird er zum Oberbürgermeister der Stadt Köln gewählt. Weil er in Notzeiten Graupen verteilen lässt, nennen ihn die Kölner bald "Graupenauer". Unter ihm blüht die Stadt auf: Er lässt den Grüngürtel anlegen, eröffnet die Kölner Messe, holt den Autobauer Ford an den Rhein und gründet die Universität neu. Als Notstandsmaßnahme entsteht die Autobahn zwischen Köln und Bonn, die heutige A555. Am Ende der Weimarer Republik ist Köln die am höchsten verschuldete Großstadt des Deutschen Reiches. Mit der NSDAP kann Adenauer nichts anfangen und lässt Hakenkreuzfahnen an der Deutzer Brücke abnehmen. Die Nationalsozialisten suspendieren ihn 1933 wegen politischer Unzuverlässigkeit. An direktem Widerstand gegen Hitler beteiligt er sich jedoch nie. 1948 stirbt seine zweite Frau an den Folgen einer Medikamentenvergiftung. Adenauer heiratet nicht mehr, konzentriert sich auf die Politik und wird im Alter von 73 Jahren zum Bundeskanzler gewählt.

BRD gehört zum Westen

Im Amt entscheidet Adenauer vorbehaltlos für die Bindung der BRD an die westlichen Demokratien. Er verzichtet auf jede deutsche Sonderrolle in der Welt. Mit dem Schumann-Plan schafft er die Annäherung an Frankreich, den Beginn der europäischen Einigung. Mit Israel schließt er ein Wiedergutmachungs-Abkommen. Adenauer sagt im Bundestag zur Westintegration: "Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands. Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit. Wir wählen die Freiheit!" 1955 folgt die Souveränitätserklärung der Bundesrepublik und der Beitritt zur NATO, 1956 die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Verhandlungen zwischen Ost- und Westblock haben für Adenauer keine Priorität. Immerhin reist er 1955 nach Moskau und erreicht die Rückführung vieler Kriegsgefangener. Damit gewinnt Adenauer 1957 die Wahlen: Die CDU erreicht die absolute Mehrheit. Vor allem das konstante Wirtschaftswachstum von jährlich bis zu zehn Prozent festigt die junge Demokratie - und die Position von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, der Adenauers Amtszeit entscheidend mitprägt. Erhard folgt ihm nach vier Legislaturperioden am 16. Oktober 1963 als Bundeskanzler nach.

Sarg auf dem Rhein

Adenauers Politik hinterlässt Leerstellen. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist nicht sehr fortgeschritten. Die Annäherung zwischen BRD und Ostblock erreicht erst der vierte Kanzler Willy Brandt (SPD). Doch nach seinem Tod am 19. April 1967 schauen Millionen Menschen am Fernseher zu, wie sein Sarg auf einem Schiff über den Rhein fährt. Adenauer ist im Alter von 91 Jahren in Rhöndorf bei Bonn gestorben.

Stand: 05.01.2011

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