Stichtag

23. Februar 2005 - Vor 100 Jahren: Gründung des ersten Rotary Clubs

Anfang des 20. Jahrhunderts ist Chicago Frontstadt des ungebremsten Kapitalismus. Die industrielle Massenverwurstung von Amerikas Rinderherden spült unglaublichen Reichtum in die aufstrebende Metropole. Korruption und Kriminalität gedeihen bestens; Freundschaft und Fairness im Geschäftsleben drohen zu ersticken. Am 23. Februar 1905 treffen sich deshalb vier typische Vertreter aus Chicagos Mittelstand, um dem allgemeinen Sodom und Gomorrah mit ethischen Werten entgegenzutreten. Eingeladen dazu hat sie der 36-jährige Rechtsanwalt Paul Harris, ein ehrbarer Mann, der im ausufernden Sumpf organisierter Kriminalität nach Freunden sucht. Die vier Aufrechten finden spontan Gefallen aneinander und an der Idee, sich fortan wöchentlich zu sehen; zur Pflege freundschaftlicher wie geschäftlicher Beziehungen, und um den Schwachen in der Gesellschaft beizustehen. "Service above self" – "selbstlos dienen" soll ihr Wahlspruch sein und treffen wollen sie sich abwechselnd - rotierend - in den eigenen vier Wänden. Der erste Rotary-Club ist gegründet.

Die Idee von Rechtsanwalt Harris mit dem Prädikat "ethisch wertvoll" findet landes- sowie weltweit Anklang und Nachahmer. Schnell begreifen sich die Rotarier aller Länder als Besten-Auslese und sorgen mit einem strengen Regelwerk dafür, dass neben Freundschaft und Wohlfahrt im Zeichen des Zahnrads auch der Nimbus vom Elite-Club genährt wird. Wer es zu Einfluss, Macht oder Könnerschaft in seinem Beruf gebracht hat, dem wird der Beitritt diskret angetragen. Rund 1,2 Millionen Ehrenmänner (und seit kurzem auch –frauen) gehören heute zu den Rotariern. In Deutschland sind 37.000 Mitglieder in knapp 800 Clubs organisiert, darunter etwa ein Drittel der 100 mächtigsten Wirtschaftsbosse. Natürlich treffen sich Rotarier heute nicht mehr privat, sondern – je nach Clubstandort – im Fünf-Sterne-Hotel, im Edel-Restaurant oder im Dorfgasthof "Zum Hirschen". Das Rotationsprinzip gilt nur noch für die allwöchentliche Mitgliedspflicht, der Freundesrunde mit einem Fachreferat die Geheimnisse der eigenen Berufswelt nahe zu bringen. Auch das seit Harris' Zeiten streng verpönte offene Anwerben geeigneter Kandidaten scheint angesichts der Konkurrenz von Lions Club und anderen Rotary-Nachfolgern nur noch zu stören: Wer heute Rotary im Internet besucht, stößt dort auf Mitglieder-Werbung, die sich nur noch unwesentlich von der des ADAC unterscheidet.

Stand: 23.02.05