Seit dem 19. Jahrhundert behaupten manche, er habe nie existiert oder andere Autoren steckten hinter seinem Werk. Grundlage für den Zweifel an der Existenz des Dramatikers William Shakespeare ist der Mangel an Beweismaterial: Es gibt offenbar kein einziges Manuskript, nur wenige Originaldokumente mit seinem Namen oder seiner Unterschrift, und kaum Porträts aus der Zeit. Unklar ist unter anderem, wann Shakespeare geboren wird. Getauft wird er laut Kirchenregister am 26. April 1564 in Stratford-upon-Avon. Seit dem 18. Jahrhundert, als der Mann aus Stratford zur nationalen Kultfigur wird, gilt der 23. April als Shakespears Geburtstag. Es ist auch der Festtag des Heiligen Georg, des Schutzpatrons Englands.
Shakespeares Vater ist wohl ein Handschuhmacher und Wollhändler, seine Mutter die Tochter eines bekannten Landbesitzers. Dass William die Stratforder Lateinschule besucht, ist nicht erwiesen. Nach seiner Taufe ist das nächste dokumentierte Ereignis 1582 seine Hochzeit mit Anne Hathaway, der Tochter eines Bauern aus der Gegend. Damals ist er 18 Jahre alt, Anne ist acht Jahre älter. Sechs Monate nach der Eheschließung kommt eine Tochter zur Welt. Zwei Jahre später bekommen sie Zwillinge. Dann verschwindet der Dichter vorerst aus der offiziellen Dokumentation - für sieben "dunkle Jahre", wie es die Shakespeare-Forscher ausdrücken.
Schauspieler, Theaterbesitzer und Autor?
Als Shakespeare um 1592 wieder auftaucht, hat er sich anscheinend bereits in London als Schauspieler und Autor hochgearbeitet. Drei Jahre später taucht der Name Shakespeare im Zusammenhang mit der Theatergruppe "Lord Chamberlain's Men" auf: Der Königliche Schatzmeister zahlt für "Zwei Komödien und Zwischenspiele", die vor Königin Elisabeth I. aufgeführt werden. Shakespeare spielt aber nicht nur Theater, er wird auch zum Teilhaber an Theatern. "Seit 1598 tauchte der Name Shakespeare oder Shake-Speare immer wieder auf Titelseiten von Theaterstücken auf, von denen viele vorher schon anonym erschienen waren", notiert John Michell 1996 in seinem Buch "Wer schrieb Shakespeare?". Es gebe aus jener Zeit keinen Beweis für einen Zusammenhang zwischen dem Mann und den ihm zugeschriebenen Stücken.
Irgendwann zwischen 1604 und 1611 zieht sich Shakespeare offenbar nach Stratford zurück. Anfang 1616 lässt er sein Testament aufsetzen, am 23. April des Jahres stirbt er. Seine Geschichte ist mit seinem Tod aber noch lange nicht vorbei. Seit 150 Jahren findet eine Debatte statt, die Shakespeare-Enthusiasten in zwei Lager teilt. Das erste Lager sind die "Stratfordians". Sie halten daran fest, dass der Schauspieler und Geschäftsmann aus Stratford der Autor sei von 36 weltberühmten Theaterstücken, zwei Versepen und 154 Sonetten, die unter dem Namen "William Shakespeare" gedruckt werden.
Nur ein Pseudonym?
Das zweite Lager sind die "Anti-Stratfordians". Für sie ist "William Shakespeare" ein Pseudonym. In diesem Lager gibt es drei Erklärungsansätze.
- Für die "Baconianer" handelt es sich bei Shakespeare in Wahrheit um Sir Francis Bacon, der als Lordkanzler unter Jakob I. ein einflussreicher Staatsmann war. Denn für Angehörige des Hochadels, so die Annahme, wäre es unmöglich gewesen, als Schriftsteller öffentlich in Erscheinung zu treten. Neben Bacon werden noch knapp 15 andere Angehörige des elisabethanischen Hochadels diskutiert.
- Für die "Marlowianer" hingegen ist der Schriftsteller Christopher Marlowe 1593 nicht bei einem Mord-Anschlag getötet worden, sondern hat im Verborgenen als "William Shakespeare" weitergeschrieben.
- Der derzeit größte Teil der "Anti-Stratfordians" favorisiert hingegen Edward de Vere, den 17. Earl of Oxford, der sprachlich und inhaltlich anspruchsvolle Gedichte und eine Novelle geschrieben hat. Seine Bildungsreisen führen ihn nach Frankreich und Italien, in Gegenden, die auch "William Shakespeare" bestens zu kennen scheint. Mit de Veres Tod 1603 hört auch der Druck neuer Shakespeare-Stücke auf. Die Shakespeare-Sonette, die 1608 erscheinen, kursierten in Abschriften bereits wesentlich früher.
Porträts von Shakespeare sind für die "Anti-Stratfordians" bewusste Täuschungen. Das Werk jedoch - von "Romeo und Julia" bis "König Lear", vom "Sommernachtstraum" bis zu "Hamlet", vom "Kaufmann von Venedig" bis zu "Richard III." - ist so beständig, wie es der Autor schon immer geahnt hat im Sonett 55: "Kein Marmorbild, kein fürstlich Monument / Soll diese mächtigen Reime überleben, / Die größern Ruhm und höhern Glanz Dir geben / Als was geformt aus irdischem Element."
Stand: 23.04.2014
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