Stichtag

24. Juni 2005 - Vor 70 Jahren: Tod des Tango-Königs Carlos Gardel

Argentinier sind, wie die Mehrzahl aller Südamerikaner, fromme Christenmenschen. Doch den Olymp im Pantheon der Herzen beherrschen drei irdische Heilige: Evita Peron, Diego Maradonna und – weit darüber - Carlos Gardel, Gottvater des Tango. Dass "die Stimme von Buenos Aires" nicht im eigenen Land geboren ist, stört die Argentinier wenig. Dass neuerdings ausgerechnet Nachbar Uruguay dieses Privileg in Anspruch nimmt, kommt einer Kriegserklärung drohend nahe. Seit 1998 genießt der Tango deshalb in Argentinien gesetzlichen Schutz, als "Kulturgut der Nation", das "zu schützen, zu erhalten und zu verbreiten" ist. Es ist das lebendige Erbe von Carlos Gardel, von "La Voz del Siglo" (der Stimme des Jahrhunderts).Offiziellen Biografien zufolge wird Charles Gardes am 11. Dezember 1890 in Toulouse geboren. Mit seiner Mutter Berthe, einer 25-jährigen Büglerin, reist der kleine, dicke Junge im März 1893 auf dem Dampfschiff "Don Pedro" nach Buenos Aires. Schon zehn Jahre später bilden sich Menschentrauben um die Bar O'Rondemann im Abasto-Viertel, wenn drinnen der junge Carlos Gardel kreolische Volkslieder singt. Am 9. April 1917 wird der sanfte Pummel aus dem Markthallen-Milieu mit einem Lied zur Sensation: "Mi noche triste", gesungen zur Musik des Tango, der bis dahin ausschließlich instrumental gespielt wurde.

Mit der Klage eines verlassenen Zuhälters verwandelt sich der schüchterne Sänger in einen eleganten, bronzefarbenen Herzensbrecher. Bald liegt ihm ganz Südamerika und auch die Alte Welt zu Füßen. "Aufgepasst Freunde, die Stimme des Dunklen ist wunderschön", lobt Europas Star-Tenor Enrico Caruso. Millionen von Menschen erliegen der samtwarmen Stimme auch im Kino, in zahllosen Tango-Epen, die in rascher Folge mit Gardel als stets traurigem Helden auf den Markt kommen. 1935, nach über 900 Plattenaufnahmen, ist "El Morocho" (der Dunkle) auf dem Gipfel seines Ruhms. Gardel startet eine Tournee nach Kolumbien. Nach einem umjubelten Auftakt in Bogota will er am nächsten Tag zum nächsten Konzertort Cali fliegen. Am 24. Juni 1935 um 15.15 Uhr kollidiert sein Flugzeug beim Start auf dem Aeropuerto Enrique Olaya Herrera von Medellin mit einer anderen Maschine. In dem Flammeninferno gibt es keine Überlebenden.Stand: 24.06.05