Warum die Pariser ausgerechnet die Bastille gestürmt haben, soll König Ludwig XVI. erstaunt gefragt haben. Schließlich ist der Abriss der alten Festung in Paris längst beschlossen. Nach Abschaffung der willkürlichen königlichen Haftbefehle wird sie nur noch selten als Staatsgefängnis genutzt. Längst gibt es Baupläne für einen Platz mit einem Standbild für den Monarchen.
Doch Paris ist in Aufruhr, die Bürger haben sich Waffen beschafft und brauchen Munition. Und die lagert mit den sieben letzten Häftlingen in der Bastille – bewacht von einem gemütlichen Kommandanten und einer Handvoll Kriegsversehrter und Veteranen. Er empfängt Delegationen, verhandelt, doch die Menge wird ungeduldig.
Sturm oder Kapitulation?
Der Bastille-Kommandant lässt bald auf die Menschenmenge schießen, Hunderte sterben. Nach einem zweiten Aufmarsch kapituliert er. Der Sturm auf die Bastille ist also eine Legende, der Kommandant übergibt die Festung ohne Gegenwehr. Die Meute befreit die letzten Gefangenen: vier Urkundenfälscher, zwei Geisteskranke und vermutlich den pornografischen Schriftsteller Marquis de Sade. Auf dem Weg zum Rathaus werden der Kommandant und ein Unterhändler gelyncht, ihre Köpfe auf Lanzen gesteckt und im Triumph durch die Stadt getragen.
Dennoch zieht der König seine Truppen ab und macht sogar einige politische Zugeständnisse. Der 14. Juli 1789 geht in die Geschichte ein - obwohl der Sieg über eine Truppe von Kriegsinvaliden und auch die befreiten Gefangenen selbst kaum bedeutend waren. "Es war eben die erste Revolte, die straffrei ausging", sagt Philippe de Carbonnières, Spezialist der Französischen Revolution im Pariser Stadtmuseum Carnavalet.
Der Sturm auf die Bastille wird deswegen schnell zur Legende, ausgeschmückt mit erfundenen Begebenheiten und von ausländischen Beobachtern als epochale Umwälzung bewertet. Das liegt auch an dem Bauunternehmer Pierre-François Palloy. Mit hundert Arbeitern beginnt er direkt am Abend des 14. Juli 1789, das Bauwerk abzureißen. Zwei Monate später organisiert er eine erste Gedenkfeier mit einer Prozession bis zum heutigen Panthéon und über das Rathaus zurück zur Bastille. "Dort findet für die rund 3.000 Teilnehmer ein Bankett statt. Man schlemmt, tanzt und singt. Offenbar wird der Ort seitdem mit einem Volksfest assoziiert", sagt die Historikerin und Bastille-Expertin Héloïse Bocher.
Bastille bleibt das rebellische Symbol der Republikaner
1790 feiern die Pariser ihre abgetragene Bastille offiziell – als großes einvernehmliches Föderationsfest, auf dem Marsfeld. Dann gerät das Ereignis fast ein Jahrhundert lang in Vergessenheit. "Erst 1880 wird offiziell ein Nationalfeiertag definiert und dafür das Datum des 14. Juli gewählt. Aber interessanterweise ohne das Jahr 1789 zu erwähnen", erklärt Héloïse Bocher. Das unblutige Föderationsfest von 1790 eignet sich besser. Aber der Sturm auf die Bastille bleibt das rebellische Symbol der Republikaner: Auf dem Platz werden bis heute spontan sozialistische Präsidenten gefeiert.
Stand: 14.07.2014
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