Er ist der erste mediale Superstar, der diesen Namen verdient. Die Männer imitieren mit Mengen von Pomade seine Frisur, die Frauen schicken ihm Unterwäsche. Als 1921 der Film "The Sheik" ("Der Scheich") mit Rudolph Valentino in der Titelrolle herauskommt und wochenlang läuft, winden sich die Schlangen vor den Kassen um die Häuserblocks. Für den 26-jährigen Italo-Einwanderer beginnt ein Leben im ungebremsten Luxus. Der eitle Beau erbaut sich ein Schloss in Hügellage, umgibt sich mit pseudo-orientalischem Prunk und genießt das Leben fortan von der extravagantesten Seite. In den Studios riecht jeder sofort, wenn Valentino heranweht: Stets ist der schönste Mann der Welt von einer Duftwolke umgeben.
Der Sohn eines Tierarztes aus Castellaneta in Süditalien soll schon jung ein schwer erziehbarer Macho gewesen sein. In der Schule hinterlässt er keine bleibenden Erinnerungen. Seine Lehrer rätseln, ob er faul, dumm oder beides ist. Mit 18 Jahren schifft sich Rodolfo Alfonso Rafaelo Pierre Guglielmi di Valentia d'Antonguella auf der "SS Cleveland" ein, um sein Glück in der Neuen Welt zu suchen. Nach unerquicklichen Versuchen als Wagenwäscher und Gärtner reüssiert er bald als Eintänzer und Gigolo in den New Yorker Nachtclubs. Karriereversuche in einer Musical-Revue scheitern. Tanzen kann Rodolfo di Valentina, aber nicht singen.
Der temperamentvolle Süditaliener mit dem großen Ego siedelt um nach Hollywood. Jetzt unter dem Namen Rudolph Valentino bewirbt er sich für Probeaufnahmen – und fällt auf. Wie er seine großen, fast okkulten Augen aufreißt, die Lippen seines sinnlichen Mundes zurückzieht, um die glänzenden Zähne freizulegen und die Nasenflügel beben lässt – das bringt die Stummfilm-Leinwand förmlich zum Erbeben. Es ist, wie böse Zungen behaupten, Valentinos komplettes Repertoire, aber es reicht, um ihn zum bestbezahlten Schauspieler seiner Zeit zu machen. Als Latin Lover provoziert er weltweit hysterische Verehrung. Ein von Natur aus schlaffes Augenlid unterstützt dabei kongenial den lasziven Schlafzimmerblick. Auf dem Gipfel seiner Karriere, nach "Son of the Sheik" (1926) kassiert Valentino eine Jahresgage von einer Million Dollar. Genießen kann er sie nicht mehr. Am 15. August 1926 bricht das Erotik-Idol völlig überraschend in einem New Yorker Luxushotel zusammen. Acht Tage kämpfen die Ärzte um sein Leben, während draußen ein starkes Polizeikommando das Krankenhaus vor dem Fan-Ansturm abriegelt. Am 22. August stirbt Rudolph Valentino mit nur 31 Jahren, zu seiner Beerdigung kommen Hunderttausende. Ein Jahr nach seinem Tod bewahren bereits 70 "Memorial Organisations" das Andenken an die Stummfilm-Legende.
Stand: 06.05.05