Im Hochsommer des Jahres 1907 reist der angehende Ingenieur Hans Castorp von Hamburg aus ins schweizerische Davos, um im dortigen Lungensanatorium "Berghof" seinen kranken seinen Vetter Joachim Ziemßen zu besuchen. Während dieser als Soldat möglichst schnell wieder ins Leben zurück will, ist der gesunde Castorp von der in seinen Augen vergeistigten Atmosphäre von Krankheit, Tod und Luxus derart fasziniert, dass er nicht mehr wegfahren möchte – selbst, als der Vetter stirbt.
"Er fuhr auf Besuch für drei Wochen", heißt es im Roman "Der Zauberberg" von Thomas Mann. Letztlich werden aus den drei Wochen sieben Jahre.
Die Gefahren des Milieus
Der Ursprung des "Zauberbergs" ist autobiografisch. 1912 muss Thomas Manns Frau Katia wegen eines Lungenleidens nach Davos. In dieser Zeit leben dort Tausende Menschen, die an der bis 1950 als unheilbar geltenden Krankheit leiden. Mann kommt zu Besuch; aber anders als sein Held Hans Castorp reist er planmäßig nach drei Wochen wieder heim nach München.
"Ich habe es vorgezogen, den 'Zauberberg' zu schreiben, worin ich die Eindrücke verwertete, die hinreichten, mir von den Gefahren des Milieus für junge Leute – die Tuberkulose ist eine Jugendkrankheit – einen Begriff zu geben", wird Mann später notieren. "Diese Krankenwelt dort oben ist von einer einspinnenden Kraft, die den jungen Menschen in relativ kurzer Zeit dem wirklichen, aktiven Leben vollkommen entfremdet."
Flirt und Fieber
So ist es im Roman auch mit Hans Castorp. Wie die anderen Figuren geht er im Zauberberg "dem Leben verloren", wie es der italienische Intellektuelle Lodovico Settembrini, der Castorp für die Vernunft und die Gesundheit zu retten sucht, erklärt. "Spätestens nach einem halben Jahr hat der junge Mensch, der heraufkommt , keine anderen Gedanken mehr im Kopf als Flirt und Temperatur. Und spätestens nach einem Jahr wird er auch nie wieder einen anderen fassen können, sondern jeden anderen als 'grausam' oder besser gesagt, als fehlerhaft und unwissend empfinden."
Im "Zauberberg" ist es die 28-jährige "kirgisenäugige" Russin Clawdia Chauchat, die Castorp den Kopf verdreht. Hörig und eifersüchtig wartet er tagtäglich auf ihre Auftritte beim Essen. Er spricht mit Settembrini und dem Jesuiten Naphta über politische und philosophische Ideen, die sich selbst genügen. Und dreht sich im Sanatoriumskosmos immer wieder im Kreis, bevor ihn der Erste Weltkrieg als unerwarteter "Donnerschlag" urplötzlich aus der kleinen, am Abgrund taumelnden Gesellschaft in die große, in den Abgrund stürzende Gesellschaft zieht. Ob er überlebt oder untergeht, lässt Mann bewusst im Dunkeln.
Rund zehn Jahre schreibt Mann am Roman. Als "Der Zauberberg"am 20. November 1924 erscheint, wird er gleich als große Literatur wahrgenommen. 1928 sind bereits 100.000 Exemplare des Buchs verkauft. Bis heute wurde der Roman in rund 30 Sprachen übersetzt.
Stand:20.11.2014
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