Es erscheint wie die Entscheidung zwischen endloser Langeweile und Spaß ohne Ende, zwischen Gähnen und funkelnden Kinderaugen, zwischen ödem Leben und betörender Illusion. So jedenfalls verspricht es eine Werbeanzeige für die neue Filmstadt "Universal City" in Hollywood, die zur Eröffnung lockt.
"Werden Sie nach Universal City kommen oder nicht?“ stellt sie die entscheidende Frage. "Werden Sie ihrer Frau und ihren Kindern eine besondere Freude machen, indem Sie sie zur Wunderstadt der Welt bringen, oder nicht? Sehen Sie, wie wir Brücken hochgehen lassen, Häuser abfackeln, Autos zu Schrott fahren, überhaupt Dinge zerstören, um den Leuten die Bilder zu geben, die sie wollen."
Am 15. März 1915 wollen bereits Zehntausende die Bilder von Indianerkämpfen, gesprengten Dämmen, überfluteten Dörfern und abstürzenden Flugzeugen sehen. Dass dabei tragischerweise ein Pilot ums Leben kommt, bremst den Spaß der Besucher nicht weiter.
Mit Zoo und Feuerwehr
Die Idee zu einer Stadt, in der im Beisein von Besuchern Filme gedreht werden, hat Carl Laemmle. Aufgewachsen als Sohn eines jüdischen Viehhändlers und Immobilienmaklers in einer Kleinstadt bei Ulm, hat der 17-Jährige 1884 in Bremerhaven den Dampfer "Neckar" bestiegen, um in der Neuen Welt sein Glück zu suchen. Zunächst arbeitet er sich vom Laufburschen zum Manager eines Textilgeschäft in Oshkosh, Wisconsin, hoch. 1906 kauft er in Chicago sein erstes "Nickelodeon": ein Vorläufer des Kinos, bei dem man für einen Nickel einen Film anschauen kann. Über diesen Zwischenschritt wird Laemmle zu einem der erfolgreichsten Filmverleiher der USA.
Aber Laemmle will auch Filme produzieren. 1912 gründet er in New York die "Universal Picture Corporation", deren Filme in einem sonnigen Kaff namens Hollywood an der Westküste Kaliforniens entstehen. Inmitten von Obstbäumen und Landidylle reift Laemmles Vision, eine Filmstadt zu gründen, die alle Kulissen für mögliche Filme in sich vereint. Die Idee ist da, preiswertes Bauland auch. 1915 wird der Traum mit "Universal City" Realität.
1,5 Milliarden Euro jährlich
165.000 US-Dollar kostet Laemmle der Boden, auf dem er mit Büros, Studios und Entwicklungslaboratorien den größten Filmproduktionsort der Welt errichtet. Erfolgreich ist das Konzept auch deshalb, weil Laemmle seinen Schauspielern mehr Geld bezahlt als seine Konkurrenz und durch ihre Nennung in Vor- und Abspann den Starkult erfindet. Aber Universal City ist nicht nur Kinokulisse: Es gibt dort Restaurants für Filmcrews und Besucher, eine eigene Polizei, eine Feuerwehr und ein Krankenhaus, eine eigene Post samt eigener Postleitzahl – und einen Zoo für Tiereinsätze.
Im ersten Jahr werden in Universal City rund 250 Filme gedreht Vorwiegend sind es Western, aber es sind auch Literaturklassiker wie „Der Glöckner von Notre-Dame“ dabei. Auch die Idee, das Publikum an jenen Ort zu bringen, wo ihre Stars geboren wurden, spielt zusätzlich Geld in die Kassen. Damit allerdings ist es 1927 vorbei. Denn der aufkommende Tonfilm macht es unmöglich, während der Aufnahmen Besucher durch die Studios zu schleusen. Aus der Not entstehen die Universal Themenparks in Kalifornien und Florida, die es noch heute gibt - Umsatz umgerechnet 1,5 Milliarden Euro jährlich.
Stand: 15.03.2015
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