Ohne guten Sex geht gar nichts. Davon ist Ernest Borneman überzeugt. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen, die kein befriedigendes Sexualleben haben, irgendetwas leisten können auf nicht sexuellem Gebiet", wird er einmal sagen. Sex gibt "einem die Chance, die Welt zu verändern".
Als Arbeitstier setzt Borneman seine Theorie ein ums andere mal in die Praxis um. Mit seiner großen Liebe Eva Geibel schließt er "eine Art Vertrag, der bedeutete, dass wir uns niemals voneinander trennen würden" - ein Vertrag, der aber auch Seitensprünge vorsieht. Borneman selbst macht von der Klausel rege Gebrauch. Dass seine Ehefrau darunter leidet, merkt er angeblich nicht.
Jazz und Krimis
Geboren wird Borneman als Ernst Wilhelm Julius Bornemann 1915 in Berlin. Seine Mutter stammt aus einer jüdischen Familie; sie fördert seine musischen und intellektuellen Fähigkeiten. Schon zu Schulzeiten betätigt sich Borneman publizistisch und tritt der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei. Nur wenige Wochen vor dem Abitur emigriert er 1933 nach London, wo er seinen Namen in Ernest Borneman ändert. Der fehlende Gymnasialabschluss und das fehlende Studium schmerzen ihn Zeit seines Lebens und bringen ihn dazu, für die Öffentlichkeit immer wieder neue akademische Karrieren und Biografien zu erfinden.
In London beschäftigt sich Borneman intensiv mit Jazzmusik, seiner ersten großen Leidenschaft. 1937 bringt er unter dem Pseudonym Cameron McCabe den Krimi "The Face on the Cutting Room Floor" heraus, der es in den nächsten drei Jahren immerhin auf eine Auflage von 36.000 Exemplaren bringt. Gleichzeitig arbeitet er als Lektor und im Filmgeschäft. 1940 wird er, wie fast alle Deutschen, als "feindlicher Ausländer" interniert und muss in ein Lager nach Kanada. Nach einem Jahr kommt er frei und produziert im Auftrag des "National Film Board" unter anderem den Propagandafilm "Target Berlin" über einen Bomberangriff auf die deutsche Hauptstadt.
Liebe von A bis Z
In Kanada heiratet Bornemann seine Freundin Eva Geibel, die er zehn Jahre zuvor in London kennengelernt hatte. 1960 kehrt das Paar mit ihrem Sohn nach Deutschland zurück, um im Auftrag von Bundeskanzler Konrad Adenauer in Konkurrenz zur ARD ein privates zweites deutsches Fernsehprogramm aufzubauen. Als das Bundesverfassungsgericht das Unternehmen kippt, wendet er sich anderen TV-Projekten zu. Das Konzept für die legendäre Jugendmusiksendung "Beat Club", die 1965 startet, stammt von ihm.
Im Zuge der Studentenrevolte betritt der Sexualforscher Borneman die Bühne. 1968 erscheint sein Aufklärungsbuch "Lexikon der Liebe". Für seine Rolle gibt sich Borneman als Psychoanalytiker aus und avanciert so innerhalb weniger Jahre neben Oswalt Kolle zum Fachmann in allen sexuellen Fragen. Sein 700 Seiten starkes Opus Magnum "Das Patriarchat" (1975), in dem er dem weiblichen Geschlecht eine Zukunft an den Schalthebeln der Macht verheißt, wird von der Frauenbewegung allerdings als bevormundend abgelehnt. Und Therapeuten beschweren sich darüber, dass Borneman in seiner wöchentlichen Ratgeberkolumne in der "Neuen Revue" sexuell unbefriedigten Ehepartnern schon einmal dazu rät, die Scheidung einzureichen, statt Hilfe zu suchen.
"Total versagt"
Bis weit in die 80er-Jahre hinein ist Borneman häufiger Gast in Talkshows. Der Tod seiner Frau im Jahr 1987 und die Eifersucht über die Eskapaden seiner 47 Jahre jüngeren Geliebten machen ihm am Ende ebenso zu schaffen wie der Untergang der sozialistischen Idee mit dem Fall der Mauer. "Ich habe das Gefühl, total versagt zu haben", resümiert er schließlich. "All das, was ich versucht habe, um die Welt zu verändern, ist fehlgeschlagen." Am 4. Juni 1995 nimmt sich Borneman das Leben.
Stand: 04.06.2015
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