Ausstellung Vincent van Gogh, mit Poster eines Selbstportraits,

Stichtag

29. Juli 1890 - Vincent van Gogh stirbt in Auvers-sur-Oise

Vincent van Gogh will nicht malen, was er sieht. Er will malen, was er empfindet. Optische Reize lösen bei ihm Schaffenswut und Rauschzustände aus, die er in seinen Briefen an seinen Bruder Theo auch schon einmal als "Orgasmus mit den Augen" beschreibt. "Die Erregung, die mich angesichts der Natur ergreift, steigert sich bei mir bis zur Ohnmacht", heißt es an anderer Stelle.

Deutlich wird dies im flirrenden Strich seiner Bilder, etwa im Spätwerk "Sternennacht" (1889) mit seinen spektakulären Himmelswirbeln. Früher galt das Bild als Ausdruck von van Goghs langsam zu Tage tretender Geisteskrankheit, heute wird es hin und wieder auch gedeutet als intuitive malerische Darstellung des Phänomens physikalischer Turbulenzen. Für Kritiker wie den Pulitzerpreisträger und Van-Gogh-Biografen Steven Naifeh sind "diese vorzüglich gemalten blauen Pinselstriche in Wirklichkeit ein Muster von Vollkommenheit, Harmonie und Schönheit."

"Akuter Wahnsinn mit Tobsucht"

Als "Sternennacht" entsteht, sitzt van Gogh bereits in der Nervenheilanstalt Saint-Paul-de-Mausole im südfranzösischen Saint-Rémy-de-Provence. Zuvor hatte ihn Paul Gauguin in seinem Haus in Arles besucht. Das rund zwei Monate andauernde Treffen endet im Desaster, van Gogh schneidet sich im Streit mit dem Kollegen unter nie ganz geklärten Umständen einen Teils eines Ohres ab. In der Folge wird der Maler von Wahnvorstellungen und Depressionen heimgesucht. Eine Petition besorgter Bürger bringt ihn in die Nervenheilanstalt. "Akuter Wahnsinn mit Tobsucht" lautet eine Diagnose, Epilepsie eine andere.

1890 verlässt van Gogh die Anstalt und begibt sich in die Obhut des Arztes Paul Gachet nach Auvers-sur-Oise. Hier steigert sich seine Arbeitswut endgültig zum Schaffensrausch. In 70 Tagen malt er 80 Gemälde und 60 Zeichnungen, darunter die Häuser des Dorfes und sein berühmtes Porträt von Dr. Gachet. Am 27. Juli verlässt er, mit Staffelei und Farben beladen, seine Herberge. Irgendwann an diesem Tag fällt ein Schuss. Van Gogh schleppt sich zurück in seine Kammer. Nach 30-stündigem Todeskampf erliegt er am 29. Juli 1890 seinen Verletzungen.

Selbstmord – oder Mord?

Der Tod wird später als Selbstmord dargestellt – eine Interpretation, die sich auch in der Kunstgeschichte bis heute als wahrscheinlich hält. Steven Naifeh führt in seiner Biografie aber auch Indizien für einen Unfall oder einen Mord an. "Wie ist er an die Pistole gekommen?", fragt der Autor. "Jeder in Auvers wusste, dass er in einer Nervenheilanstalt war. Und: Pistolen waren selten auf dem Lande. Wer hätte Vincent van Gogh eine Pistole gegeben?"

Tatsache ist, dass van Gogh in Auvers-sur-Oise nicht nur Freunde hatte. Eine Jugendbande foppte den merkwürdigen Sonderling fortwährend. Zu ihr gehört auch ein Junge namens René: Im Ort ist er als schießwütig verschrien.

Stand: 29.07.2015

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