In seinem Beitrag mit dem Titel "Unabhängig - aber nicht neutral" schreibt Herausgeber Karl Gerold 1955 zum zehnten Geburtstag der Frankfurter Rundschau ( FR): "Es war von Anbeginn ein unablässiges Bemühen um Unabhängigkeit in einer Zeit, in der Parteien aller Art versuchten öffentlichen Einfluss zu pachten." Die Geschichte der Zeitung beginnt mit der ersten Drucklizenz, die von der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung in der amerikanischen Besatzungszone ausgegeben wird. Zuvor ist bereits in der britischen Zone eine Lizenz für die Aachener Nachrichten erteilt worden.
Die Grundausstattung für die Frankfurter Rundschau wird von der US-Militärregierung bei der Bevölkerung beschlagnahmt: Stühle, Tische, Schreibmaschinen, Rundfunkgeräte. Telefone sind nicht verfügbar, deshalb wird für jeden Herausgeber ein Auto requiriert. Die erste Ausgabe der Frankfurter Rundschau erscheint am 1. August 1945. Sie kostet 20 Pfennige und kommt zweimal wöchentlich in einer Auflage von 400.000 Exemplaren heraus. Wegen Papiermangels hat die Zeitung nur einen Umfang von vier Seiten. Sie ist jedes Mal restlos ausverkauft - auch weil die Käufer Einwickelpapier benötigen. Im Sommer 1946 ist die Papierknappheit sogar so groß, dass die Auflage herabgesetzt wird und 65.000 Lesern das Abonnement gekündigt werden muss.
Die von den Amerikanern sorgfältig ausgesuchten Herausgeber haben beim Schreiben freie Hand. Die Anweisung des Oberbefehlshabers General Dwight Eisenhower besagt: Keine Parteizeitungen, wohl aber Zeitungen, in denen das ganze Spektrum des demokratischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus vertreten ist. "Dementsprechend suchten die Presseoffiziere auch Sozialdemokraten, bürgerliche Widerstandskämpfer und Kommunisten", erzählt Emil Carlebach, einer der sieben Herausgeber der Frankfurter Rundschau und 1945 Leiter der Lokalredaktion. "Und ich war einer der Kommunisten." Bis zu Beginn des Kalten Krieges darf Carlebach für die FR schreiben. 1947 entziehen ihm die Amerikaner allerdings die Lizenz. Auch andere Herausgeber scheiden aus. Schließlich bleiben Karl Gerold und Arno Rudert im August 1947 als alleinige Lizenzträger übrig. Der sozialdemokratisch orientierte Gerold prägt die Zeitung 19 Jahre lang in der Dreifachfunktion als Verleger, Herausgeber und Chefredakteur - die "Dreifaltigkeit", wie damals in der Redaktion gespöttelt wird.Stand: 01.08.05