Portrait von Journalistin im Rohlstuhl

Rollende Reporterin auf dem Weg

Mitte Oktober hat das Wintersemester begonnen. Studienanfängerin im Journalistik-Studiengang an der Uni Dortmund ist Johanna Ruhrbruch. Die „Eintrittskarte“ für die 19-jährige Rollstuhlfahrerin war ein Pflichtpraktikum, das sie im Juli und August im WDR-Landesstudio Essen absolviert hat. Unter besonderen Bedingungen und mit viel Spaß und Erfolg. Am Ende hat sie sogar ihren Instagram-Account umbenannt: Seitdem ist sie dort „die_rollende_reporterin“.

Hier der Bericht der angehenden Journalistin Johanna Ruhrbruch

Auf dem Rudi-Assauer-Platz war es still. Die Veltins-Arena war still. Schalke war still. Und auf einmal konnte man die ersten Fans erahnen, die ersten Songs erhören. Die Fans waren wieder da. Und ich war da.

Mein Name ist Johanna Ruhrbruch, ich bin 19 Jahre alt, leide an einer seltenen Muskelerkrankung, bin auf einen E-Rollstuhl angewiesen und habe dieses Jahr im Juli und August das sechswöchige Pflichtpraktikum für meinen erwünschten Studiengang Journalismus an der TU Dortmund im Studio Essen beim WDR absolviert.

Als mir Hardy Hausberg, Journalist und Mitarbeiter im ARD-Morgenmagazins, seine Idee nannte, konnte ich es erst gar nicht glauben. Hardy hatte ich zufällig bei einer Feier am Niederrhein kennengelernt. Warum sollte ausgerechnet ich beim WDR ein Praktikum machen dürfen? Schließlich war ich zuvor einigen Bewerbungen bei anderen Medien gescheitert. Aber er meinte, ich sollte es doch einfach mal versuchen. Das tat ich.

1. Woche: Social-Media

Und dann stand ich am 23. Juli auf dem Rudi-Assauer-Platz. Die Veltins-Arena war still. Schalke war still. Und auf einmal konnte man die ersten Fans erahnen, die ersten Songs hören. Die Fans und ich waren da. Und ich mit dem Auftrag, vom Saisonauftakt des frischen Zweitligisten eine Facebook-Story zu produzieren.

Eine unglaubliche Aufregung. Am Ende meiner ersten Woche im WDR. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie nervös ich war. Letztendlich war ich aber einfach nur erleichtert, dass am Ende alles funktioniert hat. Es ist nämlich leider eben nicht so, dass ich einen Praktikumsplatz bekomme und das dann einfach mal eben so mache. Aufgrund meiner Muskelerkrankung bin ich in fast allen Bereichen des Lebens auf Hilfe angewiesen. Der Weg zum Studio, der Weg zum Einsatz, der Weg zur Toilette etc. Als Mensch mit Behinderung habe ich glücklicherweise die Möglichkeit über das Persönliche Budget im Sinne der Eingliederungshilfe Assistenz beim Landschaftsverband Rheinland zu beantragen. Aber bis diese bewilligt ist und man Personal gefunden hat, dauert es leider sehr lange. Ich bin froh, dass das Team der Schwerbehindertenvertretung des WDR mich in dieser Zeit unterstützt hat. Vielen Dank dafür. Am Ende wurde ich von zwei lieben Assistenten begleitet.

Jedenfalls durfte ich am Ende meiner ersten Praktikumswoche eine Story für Facebook auf Schalke drehen. Ich wollte den Blau-Weißen gerne vor ihrem ersten Zweitligaspiel etwas auf die Pelle rücken. Ich bin eigentlich ein sehr offener Mensch und habe mir überlegt mal etwas Unterhaltsames zu machen. Letztlich endete die Story damit, dass ich mit Schalke-Fans getanzt habe.

2. Woche: Video für die Lokalzeit

Auch in meiner zweiten Praktikumswoche war ich viel unterwegs. Ich durfte ein Stück über meinen Arbeitsweg mit seinen Barrieren drehen. Ganz schön aufregend. Und am Ende ein voller Erfolg. Die Rückmeldungen über mein Video haben mich besonders gefreut.

3. Woche: Hörfunk

In meiner dritten Praktikumswoche durfte ich ein bisschen Luft im Hörfunk schnuppern. Für mich war der Hörfunk tatsächlich schon vor meinem Praktikum das Medium, was mich am meisten begeistert hat. Diese Einschätzung hat mich nicht getäuscht. Eine wundervolle Erfahrung.

4. Woche: Fernsehen

Journalistin im Rollstuhl

In Woche vier durfte ich im Fernsehen mitlaufen. In dieser Woche kam es tatsächlich zu einem weiteren meiner persönlichen Highlights. Ich durfte Florian Silbereisen treffen. Zwar bin ich absolut kein Schlagerfan, aber allein sagen zu können, dass Florian Fan von der Farbe meines Rollstuhls ist, ist schon echt cool.

5. & 6. Woche: Online

In meinen letzten beiden Praktikumswochen durfte ich nochmal online arbeiten. Es war ein ungewohntes Gefühl zu merken, dass alles sich schon ganz gut eingespielt hat, aber auch genauso schön.

Abschiedsvideo

Zum Ende der Zeit habe ich mir überlegt, dass ich für ein außergewöhnliches Praktikum gerne auch besonders danken und auf Wiedersehen sagen möchte. Ich drehte mein eigenes Abschiedsvideo und wollte mich gerne für die unaufhörlichen Mühen zur Organisation und die letztendlich unvergessliche Zeit bedanken.

Vielen Dank an alle, die mich auf meinem Weg unterstützt haben, mir immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben und daran glaubten, dass alles möglich ist, wenn man es nur will.

Johanna Ruhrbruch sagt Danke

02:01 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Von Johanna Ruhrbruch

Studienplatz: gesichert

Am Freitag, den 13. August habe ich dann erfahren, dass ich einen Studienplatz am Institut für Journalistik der Technischen Universität in Dortmund tatsächlich bekommen habe!

Ende gut alles gut. Aber eigentlich ist das doch erst der Anfang. Oder?

Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) des WDR unterstützt Pflichtpraktika für Menschen mit Behinderung

Oft ist im Vorfeld vieles zu organisieren: In Johanna Ruhrbruchs Fall gab es außer einigen Dutzend Telefonaten und Mails zwei Ortstermine  im Studio Essen, um zu prüfen, wie es um die Mobilität und Barrierefreiheit steht.

Es musste ein kleinerer Rollstuhl gefunden und leihweise an das Landesstudio geschickt werden. Außerdem war abzuklären, dass die Assistent:innen WDR-Dienstwagen fahren durften.

Wenn es Interessent:innen für Pflichtpraktika gibt, die sich direkt bei den Abteilungen bewerben, sollten diese frühzeitig Kontakt mit der SBV aufnehmen, damit terminlich und organisatorisch alles klappt.