ÖPNV-Finanzierung: Besser ist nicht gut genug
Stand: 30.01.2020, 18:30 Uhr
Über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gibt es deutlich mehr Geld für U- und Straßen-Bahnen. Das hat der Bundestag am 30. Januar 2020 beschlossen. Milliarden fließen Strecken und Bahnhöfe. Immerhin ein guter Anfang, meint Martin Gent.
Das Thema Nahverkehr hat Konjunktur, gut so. Wer lebenswerte, funktionsfähige und gesunde Städte will, kommt an Bus und Bahn nicht vorbei. Leistungsfähiger Nahverkehr braucht die Schiene – die Eisenbahn mit ihren S-Bahn-Netzen genauso wie Straßen- und U-Bahnen.
Alte Versäumnisse
Insofern sind die Zusatz-Milliarden für ein Update von Streckennetz und Fahrzeugen ein guter Anfang – aber nicht genug. Denn vor allem wird mit dem neuen Geld nur repariert, was in der Vergangenheit vernachlässigt wurde: Gleise und Oberleitungen, Tunnel und Brücken. Die Fahrgäste haben davon erst einmal wenig.
Qualitätsoffensive muss folgen
Neue und alte Kunden wollen und brauchen spürbare Qualität. Busse und Bahnen müssen in engem Takt fahren und pünktlich sein. Niemand will sich länger in übervolle Züge quetschen müssen. Der Wunsch nach mehr Komfort ist nicht vermessen: Bequeme Sitze, mehr Überblick als in jedem SUV durch nicht mit Werbung zugeklebte Scheiben, Klimaanlagen, WLAN und Steckdosen. Noch viel zu oft bleibt echter Fahrkomfort auf der Strecke. Eine Straßenbahn muss nicht rumpeln und quietschen, Busse könnten längst ruckelfrei beschleunigen und Schlaglöcher kommod wegfedern. Sänfte ist mehr gefragt als Sportwagen.
Attraktive Tarife, die jeder versteht
Vor allem aber muss der Zugang zum ÖPNV einfach sein. Ein Tarif-Wirrwarr ohne Beispiel schafft unnötige Hürden. Vielerorts wurde oder wird mit Nulltarifen experimentiert, mal tageweise, mal auf Dauer: Luxemburg und das rheinische Monheim gehen vorweg, Hannover, Göttingen und Köln experimentieren mit fahrscheinlosen Tagen. Populär ist ein 365-Euro-Jahresticket nach dem Beispiel Wiens. Vieles aber spricht für eine Nahverkehrs-Abgabe, die jeder zahlt.
Vom ÖPNV profitieren auch Autofahrer
Denn von einem guten ÖPNV haben alle etwas. Immobilienbesitzer, weil eine gute Nahverkehrs-Anbindung wertsteigernd ist und Autofahrer, weil jeder Umsteiger den Stau um eine Wagenlänge kürzer macht. Der Nachfrageschub durch eine ÖPNV-Flatrate wäre Ziel und Herausforderung zugleich. Experten sagen, dass dichter getaktete Bahnen, neue Schnell- und Werks-Buslinien die Kapazitätsprobleme abfedern können. Bis dann in Schritt zwei neue und reaktivierte Schienenstrecken hinzukommen. Eine echte Verkehrswende braucht entschiedene Weichenstellungen, und zwar jetzt!
Hier schreibt Martin Gent, Redakteur und Reporter in der WDR-Wissenschaftsredaktion. Als Mobilitätsexperte ist er stets auf der Suche nach Perspektiven für den Verkehr von morgen.
Quellen: Generalanzeiger 21.12.19; Morgenecho 30.01.20 Landsberg-Interview; VRS-Kapazitätsstudie Spätsommer 2019; Allianz pro Schiene; dpa 15.9. und 6.11. und 19.11.19; afp 29.1.20; epd 4.6.19