Siegener Viertel gegen Gruben gesichert
Keine Angst mehr vor Bergschäden
Stand: 28.09.2012, 06:00 Uhr
Die Gefahr ist gebannt: Das war die Botschaft der Bezirksregierung Arnsberg während einer Bürgerversammlung am Donnerstagabend (27.09.12) im Siegener Stadtviertel Rosterberg. Das Viertel hatte durch den Einsturz alter Erzgruben von sich Reden gemacht. Zwölf Millionen Euro hat das Land investiert.
Von Stefan Michel
"Die Grubenbaue sind so verfüllt, dass ein Einbruch nicht mehr möglich ist!" Ein halbes Hundert Anwohner hört in der Aula des Gymnasiums auf dem Rosterberg diese Botschaft von Peter Hogrebe von der Bezirksregierung Arnsberg. Seine Behörde ist für die Hinterlassenschaften des Bergbaus in Nordrhein-Westfalen zuständig, und Hogrebe für den Rosterberg.
Schacht am Gymnasium entdeckt
Was er als "Einbruch" bezeichnet, kennen die alteingesessenen Siegerländer und besonders die Rosterberger längst unter dem Fachbegriff 'Tagesbruch': Plötzlich klafft im Garten oder im Gehweg ein tiefes Loch, weil im Untergrund ein Bergbau-Hohlraum eingestürzt ist. In Siegen passiert das alle Jahre. Nicht mehr auf dem Rosterberg, die Hausbesitzer bekämen auf Wunsch auch schriftlich, verspricht Hogrebe, dass ihr Haus nun "dauerhaft standsicher" sei.
Die Baustelle an der Schule 2009
Fünf Jahre lang hat die Bezirksregierung Stollen und Schächte unter dem Wohnviertel untersuchen und vermessen lassen, hat gefährliche Hohlräume mit Beton gefüllt. Jetzt stehen nur noch einige Restarbeiten über Tage an: ein paar Bohrungen, ein paar Kubikmeter Beton für kleinere Löcher. 120.000 Euro sind noch einmal dafür veranschlagt.
Das Desaster am "Siegener Loch"
Peter Hogrebe auf dem Weg hinab
Rückblick: Tiefe Angst hatte ein Tagesbruch im Februar 2004 bei den Rosterbergern geweckt, und der wurde auch zur Lehrstunde für die Bergbehörde. Nach dem Einsturz einer Erzgrube hatte sich ein Krater geöffnet, der vier Häuserblocks zu verschlingen drohte. Die Bezirksregierung tat, was ihre Standardmethode bei Tagesbrüchen war: Sie füllte Beton ins "Siegener Loch", wie der Krater bald genannt wurde. Und sie suchte mit Bohrungen von der Oberfläche aus nach weiteren Hohlräumen rund um den Krater. Der Einsatz geriet zum Desaster: Tausend Kubikmeter Beton verschwanden wirkungslos in der Tiefe. Ein Häuserblock wurde zerstört. Die Materialschlacht mit Bohrern und Beton dauerte ein ganzes Jahr und kostete mehr als vier Millionen Euro.
Altbergbau-Experten aus Thüringen
Baustellenbegehung in 60 m Tiefe
Die Bezirksregierung zog eine Lehre daraus: Statt die Lage mit Bohrungen von der Oberfläche aus zu erkunden, was einer Suche mit verbundenen Augen gleicht, würde man künftig in die Gruben hinabsteigen und sich unter Tage ein Bild machen. Das hört sich aber einfacher an als es ist: Jahrzehnte nach Schließung der Bergwerke waren Schächte und Stolleneingänge verschüttet oder überbaut. Im Inneren sind Stützen und Leitern morsch geworden, sind Holzkästen verrottet, die Hunderte Tonnen Gestein tragen sollten. In Nordrhein-Westfalen gibt es keine Spezialisten, die mit solchen Problemen umzugehen wissen. Die Bezirksregierung fand sie in Thüringen.
Unterirdische Sperrmauern errichtet
Die Mauer wird den Beton stoppen
Im Sommer 2007 hatte die Bezirksregierung nach langer vergeblicher Suche endlich einen alten verschütteten Schacht entdeckt, in nächster Nähe zu einem Gymnasium. Durch diesen Schacht bahnten sich die Bergleute aus Jena einen ersten Weg in die Tiefe. Ein halbes Dutzend Schächte wurden später entdeckt, unter dem Schulhof, unter Straßen und Vorgärten. 2,2 Kilometer Stollen und Schächte haben die Bergleute in mühsamer Handarbeit freigelegt und etliche einsturzgefährdete Hohlräume dicht unter der Oberfläche entdeckt. Nach Vermessung der Bergwerke konnten diese Hohlräume metergenau von oben angebohrt werden, um sie mit Beton zu füllen. Und mit Sperrmauern unter Tage sorgten die Bergleute dafür, dass der Baustoff nicht in tiefere, ungefährliche Etagen der Gruben davon fließen konnte, wie beim "Siegener Loch".
70 Grundstücke gesichert
Der Schutt wird kübelweise nach oben gezogen
Zum ersten Mal überhaupt ist ein Bergbau-Problemgebiet in Nordrhein-Westfalen auf diese Weise saniert worden. Zwar klingen die zwölf Millionen Euro Kosten nicht nach einer besonders preiswerten Methode. Peter Hogrebe beteuert jedoch, dieser Einsatz sei viel ökonomischer gewesen als die frühere Methode mit den Suchbohrungen: „Weil wir mit diesem Geld mehr als 70 Grundstücke und das große Schulgelände geschützt haben. Dagegen haben wir am Siegener Loch mit hohem Millionenaufwand nur zwei bis drei Grundstücke gesichert.“