Expertin zur Konjunkturentwicklung
"Wichtiger Wendepunkt ist erreicht"
Stand: 24.11.2009, 17:57 Uhr
Die Wirtschaft hat sich ab Sommer 2009 leicht erholt - doch bedeutet das ein Ende der Rezession? Konjunkturexpertin Carolin Vogt von der IKB-Bank erklärt, was es mit dem Aufschwung auf sich hat - gerade in NRW.
Carolin Vogt ist Konjunkturexpertin der IKB-Bank. Die IKB Deutsche Industriebank mit Hauptsitz in Düsseldorf ist eine mittelständische Bank, die sich auf die langfristige Finanzierung von Unternehmen spezialisiert hat. In Folge der Finanzkrise geriet sie 2007 in Schieflage, wurde aber unter anderem von der staatlichen KfW-Bankengruppe aufgefangen.
WDR.de: Worauf ist die Konjunkturerholung zurückzuführen, und was bedeutet der bundesweite Trend für die Wirtschaft in NRW?
Carolin Vogt: Man kann die bundesweite Erholung auf hauptsächlich zwei Faktoren zurückführen: Zum einen haben die deutschen Exporte im dritten Quartal um 4,9 Prozent angezogen, das hat sicherlich zur Erholung beigetragen - auch in NRW, dessen Wirtschaft ja mit den Schlüsselbranchen Fahrzeugindustrie und Maschinenbau besonders exportorientiert ist. Zweitens haben sich aber auch die Konjunkturprogramme der Regierung positiv auf die Wirtschaft ausgewirkt.
WDR.de: Inwiefern?
Vogt: Man sieht, dass sich die Bauindustrie - auch die in NRW - im dritten Quartal sehr gut entwickelt hat, und das ist eine der Branchen, die hauptsächlich von den Konjunkturpaketen profitiert hat. Zum anderen gehörte natürlich auch die Abwrackprämie zu den Konjunkturmaßnahmen des Bundes, und davon hat die Wirtschaft in zweifacher Hinsicht profitiert: Die Abwrackprämie hat nicht nur die Fahrzeugindustrie während ihres schlimmsten Einbruchs gestützt, sie hat auch im ersten Halbjahr 2009 den privaten Konsum angeschoben. Leider ist dieser positive Effekt mit Auslaufen der Prämie verloren gegangen, weswegen der Konsum jetzt mit 0,9 Prozent im dritten Quartal eingebrochen ist.
WDR.de: Waren die staatlichen Konjunkturprogramme, für die sich der Bund hoch verschulden musste, denn wirtschaftlich gesehen ein Erfolg?
Vogt: Man kann da sicher über die Sinnhaftigkeit von einzelnen Maßnahmen streiten. Insgesamt gesehen war es aber sicher wichtig, dass der Staat in einem so dramatischen wirtschaftlichen Absturz eingegriffen hat und versucht hat, den Abwärtstrend zu bremsen und sozusagen den Boden des Abschwungs in Sichtweite zu bringen.
WDR.de: Die 0,7 Prozent Wachstum hören sich erst einmal sehr positiv an - das ist aber nur im Vergleich zum Vorquartal gerechnet. Wie sieht die gesamtwirtschaftliche Lage aus - stimmt es, dass die Rezession jetzt überwunden ist?
Carolin Vogt
Vogt:: Gesamtwirtschaftlich ist es immer noch so, dass die produzierende Industrie - und das gilt analog genauso für die Industrie in Nordrhein-Westfalen - nicht ausgelastet ist, da besteht immer noch eine Lücke von 20 bis 25 Prozent zwischen dem heutigen Auslastungsgrad und dem vor der Krise. Wir rechnen deshalb damit, dass es im kommenden Jahr vermehrt zu Insolvenzen kommen wird, auch in NRW. Für viele Betriebe läuft auch die Kurzarbeit aus oder sie wird zu teuer, und das wiederum führt dazu, dass sie ihre Belegschaften anpassen müssen, um überhaupt wettbewerbsfähig bleiben zu können. Wir gehen daher auch davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen zunehmen wird. Das wiederum schlägt auf den privaten Konsum im nächsten Jahr durch. Wir gehen davon aus, dass die Lücke in der Auslastung der produzierenden Industrie noch mindestens bis 2011 oder sogar 2012 bestehen bleibt, solange haben die Betriebe also auf jeden Fall noch zu kämpfen.
WDR.de: Also noch keine Anzeichen für eine überwundene Rezession?
Carolin Vogt:: Doch, wir haben im dritten Quartal einen wichtigen Wendepunkt erreicht: die Ausrüstungsinvestitionen, also die Investitionen in Maschinen und Anlagen, sind wieder gestiegen. Sie waren die letzten drei Quartale in Folge negativ, jetzt haben wir ein kleines Plus von 0,8 Prozent. Das ist ein wichtiges Signal und wirkt sich auch positiv auf die NRW-Schlüsselbranchen Fahrzeugindustrie, Maschinenbau und auch die Elektroindustrie aus. Zusätzlich kann man sehen, dass die Betriebe wieder vermehrt ihre Läger aufbauen, die sie in der Krise leer geräumt hatten. Das bedeutet, es herrscht wieder mehr Zuversicht in die wirtschaftliche Entwicklung. Insgesamt rechnen wir damit, dass die Wirtschaft bundesweit im kommenden Jahr um 1,5 bis 1,8 Prozent wachsen wird. Das ist zwar eher eine müde Erholung und kein dramatischer Aufschwung, aber es sollte auch keine erneute Delle geben.
Das Gespräch führte Petra Blum.