Rot-grüner Kompromiss
Neue Chance für Kraftwerk Datteln
Stand: 06.12.2013, 16:21 Uhr
Das Kraftwerk Datteln IV erhält eine neue Chance. Trotz gerichtlich festgestellter Planungsfehler könnte der Energiekonzern Eon den Meiler doch noch zuende bauen. Denn die Landesregierung will ein neues Genehmigungsverfahren starten. Umweltschützer sind erbost.
Die rot-grüne Koalition hat am Freitag (06.12.2013) ihr Einverständnis zu einem "Zielabweichungsverfahren" für das Kraftwerk bekanntgeben. Damit kann ein komplett neues Genehmigungsverfahren beginnen. Dabei handelt es sich noch nicht um die endgültige Entscheidung, ob das Kraftwerk letztlich in Betrieb geht. Aber die Chancen für den Energiekonzern Eon, der rund eine Milliarde Euro in den Bau investiert hat, sind insgesamt gestiegen. Ihr ausdrückliches Einverständnis haben auch die grünen Minister im Kabinett erklärt. Bisher hatte sich Bündnis 90/Die Grünen stets ausdrücklich gegen einen Weiterbau des Kraftwerks ausgesprochen. Dagegen hatte sich die SPD stets zu "Datteln IV" bekannt. In den rot-grünen Koalitionsverträgen 2010 und 2012 hatten die Koalitionäre das Reizthema noch weitgehend ausgespart. Allerdings sind erneut Anwohnerklagen gegen die Beschlüsse zu erwarten.
Norbert Römer: "Faire Chance"
Der Investor bekämen nun eine "faire Chance", den Bau zu beenden und gleichzeitig die Interessen der Anwohner zu berücksichtigen, sagte SPD-Fraktionschef Norbert Römer am Freitag. Der Koalitionsvertrag mit den Grünen habe sich bewährt. NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) versicherte, mit der Einleitung des Verfahrens sei "keine Vorentscheidung über die Genehmigung von Datteln IV gefallen". Es werde ein neuer Genehmigungsprozess in Gang gesetzt, der immissions- und naturschutzrechtliche Prüfungen einschließe, teilte Remmel mit.
Der CDU-Politiker Thomas Kufen sah angesichts der mühsamen Einigung eine "neue Eiszeit" in der Koalition heranbrechen. Der Streit sei "eine schwere Belastung für den Wirtschafts- und Industriestandort". Eine ähnliche Einschätzung kam auch von der FDP.
Scharfe Kritik äußerte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der seit Jahren gegen das Kraftwerk prozessiert. "Mit dem einvernehmlichen Ja zur so genannten Zielabweichung macht Rot-Grün wie zuvor schon Schwarz-Gelb den Weg frei für den Kohlemeiler", sagte BUND-Vorstand Thomas Krämerkämper. Die Entscheidung sei ein beschämender Kniefall vor Eon. Die massiven Probleme bei der Genehmigung würden ausgeblendet.
Gericht stoppte Weiterbau
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte den bisherigen Bebauungsplan für das Kraftwerk 2009 wegen grober Mängel für unwirksam erklärt und das Projekt des Energiekonzerns Eon damit in Wanken gebracht. Die Richter bemängelten vor allem, dass der Meiler zu nahe an Wohnhäusern gebaut worden sei. Der Landesentwicklungsplan sehe als Standort für ein Großkraftwerk ein weiter von der Wohnbebauung entfernt liegendes Gebiet im Nordosten der Stadt vor, urteilte das OVG. Zudem sei sowohl der Naturschutz als auch der Schutz der Bevölkerung bei einem Störfall nicht ausreichend beachtet worden. Der im Landesentwicklungsplan nicht vorgesehene Bauplatz liegt direkt am Dortmund-Ems-Kanal und an einer Bahnlinie, was den Transport der großen Kohlemengen für das Kraftwerk erleichtert. Ein Landwirt aus dem angrenzenden Waltrop hatte gegen den von der Stadt Datteln entwickelten Bebauungsplan geklagt.