Seine Arbeit hat der NSU-Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag bereits im vergangenen Dezember begonnen. Doch bisher haben Mitglieder des Ausschusses noch keine geheime Akte gelesen. Der Grund: Einige Räume im Landtag müssen baulich und technisch nachgerüstet werden, um die Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. Dafür steht ein Budget von 200.000 Euro zur Verfügung. Doch die Umsetzung der Pläne soll weiterhin noch Monate dauern.
Deshalb können derzeit nicht alle Akten im Landtag untergebracht werden. "Die Akten, die als vertraulich und geheim eingestuft sind, haben wir noch nicht hier", sagte Nadja Lüders (SPD), die Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, am Freitag (20.03.2015) dem WDR. Noch fehle der speziell gesicherte Raum dafür, das sogenannte Verwahrgelass. "Die Akten mit erhöhter Geheimhaltungsstufe liegen in den NRW-Ministerien bereit zu Anlieferung." Aber solange die Sicherheit nicht gewährleistet sei, werde auch nicht geliefert.
Lüders steht selbst in der Kritik
Erschwerend komme hinzu, dass das Verwahrgelass nicht nur einbruch-, sondern ebenfalls abhörsicher sein müsse. "Wenn da jemand aus den Akten vorliest, könnte das jenseits der Mauer aufgenommen werden." Im Verwahrgelass sollen die Geheimakten nur zum Lesen und gegen Unterschrift für die Abgeordneten einsehbar sein. Kopien dürfen keine gemacht werden. "Selbst handschriftliche Notizen, die ich mir da machen würde, müsste ich beim Verlassen eines solchen Raumes abgeben und sie könnten mir erst in einer Sitzung herausgegeben werden", so Lüders.
Die Politikerin hat nicht nur dieses Problem zu lösen. Sie steht seit kurzem auch in ihrer Funktion als Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses in der Kritik: Lüders hatte am Donnerstagabend (19.03.2015) in einer persönlichen Erklärung zugegeben, den stadtbekannten Dortmunder Rechtsextremisten Michael Berger anwaltlich vertreten zu haben. Berger hatte am 14. Juni 2000 drei Polizisten erschossen und sich anschließend selbst getötet. Nach ihren Angaben hatte sie ihn in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vertreten. Dabei habe es keinerlei politischen oder rechtsextremistischen Hintergrund gegeben.
Der Sitzungssaal muss abhörsicher werden
Neben den fehlenden Räumen für die Geheimakten besteht im Landtag noch ein weiterer Mangel. Erst im August nach der Sommerpause soll es möglich sein, abhörsicher zu tagen und zum Beispiel V-Leute zu vernehmen: "Wir haben eine Glasfassade bei dem betreffenden Raum", sagte Hans Zinnkann, Pressesprecher des Landtages, dem WDR. Es müsse zunächst geprüft werden, ob das Glas verstärkt oder durch eine neue Fassade ersetzt werden müsse.
Reicht denn für eine solche umfassende Baumaßnahme die Zeit bis nach der Sommerpause überhaupt? "Da bin ich guter Hoffnung", antwortete Sprecher Zinnkann. "Unser Gebäudemanagement hat in der Vergangenheit bei vielen Bauvorhaben bewiesen, dass es in der Lage ist, Zeitpläne gut einzuhalten."
Lüders: "Wir wollen endlich anfangen"
Mit der Situation ist Lüders nicht glücklich: "Wir wollen endlich anfangen." Deshalb will sie alles daran setzen, dass zumindest das Verwahrgelass noch vor der Sommerpause in Betrieb genommen werden kann. Allerdings: "Wir haben es mit öffentlichen Ausschreibungen zu tun, das ist ein langer Prozess." Darum prüfe sie gleichzeitig, ob bis dahin das sogenannte Treptow-Verfahren angewendet werden könne. Dabei sollen die Akten direkt in den NRW-Ministerien eingesehen werden können - ähnlich wie im Fall des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages, bei dem die Abgeordneten Akten in der Außenstelle des Bundesverfassungsschutzes in Berlin-Treptow lesen konnten.
Biesenbach: Ausschuss kann Zeit aufholen
Der NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg hat längst mit der Zeugenbefragung begonnen, obwohl er zeitgleich mit dem Ausschuss in NRW angefangen hat. Das findet Peter Biesenbach, Obmann der CDU im Landtag, zwar ärgerlich, aber die Vergabevorschriften für bauliche Veränderungen seien nicht veränderbar: "Es ändert aber nur die Arbeitsweise, wir haben mittlerweile Daten auf einem Datenträger von 47 Gigabyte." Das entspricht schätzungsweise ungefähr elf Millionen Seiten Papier.
"Wir werden uns jetzt mit diesen Daten beschäftigen und die verschiedenen Tatkomplexe nicht nacheinander, sondern parallel bearbeiten", so Biesenbach. Die Informationen aus den Geheimakten sollen dann später einfließen. Biesenbach ist überzeugt, dass der Ausschuss die Zeit aufholen kann. "Wir ändern also nur unsere Arbeitsweise, aber nicht den Umfang und nicht die Intensität."
Lüders will nicht kapitulieren
Auch die Obfrau der Grünen, Verena Schäffer, bestätigt, dass der NSU-Untersuchungsausschuss in NRW bisher nicht Däumchen gedreht hat: "Es ist schon jetzt so, dass wir viele Akten haben und begonnen haben, diese Akten auszuwerten." Zudem informiere sich der Ausschuss derzeit in öffentlichen Anhörungen durch Fachleute über die rechtsextreme Szene und die Zuständigkeiten von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz.
Abgeschlossen sein muss die Arbeit des Ausschusses im Frühjahr 2017 - zum Ende der Legislaturperiode. Ist das zu schaffen? "Ja, ich muss diese Hoffnung haben, sonst müssten wir eigentlich jetzt schon kapitulieren", sagte Lüders. "Im Moment sind wir alle guten Mutes, das zu bewerkstelligen, was uns das Parlament als Auftrag gegeben hat."