Zumindest aus seiner Gesinnung macht Robin S. kein Geheimnis. Als er am Freitag (04.03.2016) im nordrhein-westfälischen NSU-Untersuchungsausschuss als Zeuge befragt wird, trägt der Dortmunder eine Jacke mit der Aufschrift "Ansgar Aryan" - eine Produktmarke, die gerne von Rechtsextremisten getragen wird. Auf die Frage, ob er Mitglied der rechten Szene sei, antwortet Robin S. zunächst: "Ich bin Deutscher und bleibe Deutscher!" Und nach der Bitte um eine direkte Antwort auf die Frage: "Natürlich!"
Wenn es allerdings um Namen, Orte und Zusammenhänge der Neonazi-Szene geht, befallen Robin S. immer wieder Erinnerungslücken. Zudem beruft er sich auf sein Aussageverweigerungsrecht als Zeuge. Mehrfach greift sein Anwalt Hendrik Schnelle aus Detmold ein und sagt, sein Mandant mache zu bestimmten Punkten aus der Vergangenheit keine Aussagen, weil ansonsten "aktuelle Strafverfolgung" drohen könne.
Zschäpe-Anwalt Heer verfolgt Aussage
Die Abgeordneten des Ausschusses wollten zum Beispiel wissen, wie der Briefkontakt von Robin S. zu Beate Zschäpe zustande gekommen sei. Im Frühjahr 2013 war ein Brief abgefangen worden, den die Hauptangeklagte im Münchner NSU-Prozess an den Dortmunder Neonazi geschrieben hatte. Es stellte sich heraus, dass die beiden seit mehreren Monaten einen Briefwechsel unterhielten - mit Neckereien und persönlichen Anmerkungen. Im NSU-Ausschuss sagt Robin S. nun, er habe den Schriftwechsel mit Zschäpe initiiert: "Wir schreiben uns seit vier Jahren." Die Frage, ob er zu Beate Zschäpe bereits vor deren Haft Kontakt gehabt habe, verneint der Rechtsextremist. Auf die Frage, weshalb er Zschäpe angeschrieben habe, antwortet Robin S.: "Aufgrund meiner sozialen Ader." Er habe sie in ihrer Haftzeit "mit Ratschlägen" unterstützen wollen.
Was Robin S. zu sagen hat, interessiert nicht nur die Ausschuss-Mitglieder, sondern auch Zschäpe-Anwalt Wolfgang Heer: Dieser betritt während der laufenden Sitzung den Saal und nimmt zunächst im Rücken von Robin S. Platz. Dann setzt sich Heer nach Absprache mit dem Saalordner so, dass er während der Befragung durch den Ausschuss Blickkontakt mit dem Zeugen hat. Dem WDR erklärt Heer in einer Sitzungspause, er habe sich nicht umgesetzt, damit Robin S. ihn sehe, sondern "weil ich mir einen Eindruck von ihm verschaffen möchte". Auf die Fragen, ob Heer mit Robin S. bereits zuvor Kontakt gehabt habe und welchen Eindruck dieser nun auf ihn mache, will der Zschäpe-Anwalt keinen Kommentar abgeben.
Bei Prozess: V-Mann enttarnt
Der Düsseldorfer NSU-Untersuchungsausschuss interessiert sich auch für das Vorleben von Robin S. (Jahrgang 1984). Der Dortmunder Neonazi saß 2013, als der Zschäpe-Brief an ihn abgefangen wurde nämlich selbst in Haft - in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne. Er hatte im Februar 2007 im Ruhrgebiet einen Supermarkt überfallen und dabei einen 59-Jährigen mit vier Schüssen schwer verletzt. S. wurde im August 2007 vom Landgericht Dortmund zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Mit dem Überfall sollte ein missglückter Drogendeal in Ostwestfalen ausgeglichen werden.
Pikantes Detail: Nachdem er zunächst geschwiegen hatte, gab Robin S. im Laufe des Prozesses an, er sei von seinem "Kameraden" Sebastian S. zu der Tat angestiftet worden. Der Anwalt des Zeugen hatte nämlich bei der Akteneinsicht festgestellt, dass der angebliche Anstifter ein V-Mann des NRW-Verfassungsschutzes war. Die Bielefelder Polizei hatte dessen Telefon wegen Drogengeschäften überwacht und dabei offenbar mitgeschnitten, wie er angeblich von seinem V-Mann-Führer vor polizeilichen Maßnahmen gewarnt wurde. Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss behauptet Robin S., die Waffe für den Überfall sei ihm von Sebstian S. in die Hand gedrückt worden, dieser habe ihn zur Tat gezwungen.
Unterstützer bei NSU-Tatortauswahl?
Sowohl der Rechtsextremist Robin S. als auch der Ex-Spitzel Sebastian S. waren schon lange in der Dortmunder Neonazi-Szene aktiv. Laut Aussagen aus dem Prozess 2007, kannten sie sich bereits damals seit zehn Jahren. Beide hatten Kontakte zum rechtsextremen "Blood and Honour"-Musiknetzwerk und gehörten zur "Oidoxie Streetfigthing Crew", einer Art Saalschutz der Dortmunder Rechtsrock-Band "Oidoxie". Diese Gruppierung agierte nicht nur als Security, sondern organisierte auch Veranstaltungen. Sebastian S. fungierte als Bindeglied der Band "Oidoxie" nach Belgien und deutscher Kontaktmann für Rechtsrockkonzerte.
Auch für diese Zusammenhänge interessiert sich der NSU-Untersuchungsausschuss: Im April 2006 erschoss vermutlich der NSU den Dortmunder Kioskbesitzer Mehmet Kubaşık und zwei Tage später den Kasseler Internetcafé-Betreiber Halit Yozgat. In der "Oidoxie Streetfighting Crew" waren nicht nur Dortmunder, sondern auch Kasseler Neonazis organisiert. Die Band "Oidoxie" ist in Kassel auch in der Nähe des späteren Tatorts aufgetreten. Deshalb stellt sich die Frage: Gab es womöglich aus der Dortmunder Szene und der Kasseler Szene Unterstützung für den NSU, zum Beispiel bei der Tatortauswahl? Doch zu solchen Fragen kommt es im Düsseldorfer NSU-Ausschuss gar nicht erst: Robin S. verweigert jegliche Aussage zu einer Mitgliedschaft bei der "Oidoxie Streetfighting Crew" - weil er sich der "Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung" aussetzen würde, wie sein Anwalt sagt. Als Robin S. ein Gruppenfoto vorgelegt wird, auf dem er und die anderen Abgebildeten T-Shirts mit der Aufschrift "Oidoxie Streetfighting Crew" tragen, sagt der Neonazi, es handele sich dabei lediglich um Fans der Band.
Kontakt zwischen Dortmunder "Combat 18"-Zelle und NSU?
Neben Robin S. hat der NSU-Untersuchungsausschuss am Freitag auch Sebastian S. als Zeugen geladen. Er soll im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung aussagen. Offenbar geht der Ausschuss davon aus, dass der ehemalige V-Mann unter Ausschluss der Öffentlichkeit gesprächiger sein könnte.
Sebastian S. ist als Zeuge nicht zur wegen seiner Verbindung zu Robin S. interessant: Am 25. November 2011 - also kurz nach der Selbstenttarnung des NSU - fand in einem Bielefelder Schnellrestaurant ein bemerkenswertes Gespräch statt. Ein Dortmunder Polizeibeamter traf den ehemaligen V-Mann des NRW-Verfassungsschutzes. Dem WDR-Fernsehmagazin WESTPOL liegt der entsprechende Polizeivermerk vor. Demnach berichtete S., dass er und andere bereits 2003 in Dortmund eine militante Gruppe aufgebaut hätten. Die Gruppe besorgte sich Waffen und nannte sich "Combat 18", wie ihr britisches Vorbild aus dem "Blood and Honour"-Umfeld. Die "Combat 18"-Bewegung setzt auf "führerlosen Widerstand" und Anschläge ohne Bekennerschreiben - ähnlich wie der NSU. Es stellt sich also die Frage, ob es zwischen dieser Zelle und dem NSU auch direkte Verbindungen gegeben hat.
Der enttarnte V-Mann Sebastian S. machte 2011 im Bielefelder Schnellrestaurant noch weitere Angaben. Es ging um die Tatwaffen des NSU. Im Vermerk der Dortmunder Polizei heißt es, dass S. "möglicherweise Angaben zur Herkunft der Schusswaffen TT 33 und Bruni machen kann." Mit diesen Waffenmodellen wurde bei den mutmaßlichen Morden des NSU geschossen. Der NSU-Untersuchungsausschuss wird S. vermutlich auch dazu befragen.
Keine Aussage zu "Combat 18"
Als Zschäpe-Brieffreund Robin S. im NSU-Untersuchungsausschuss gefragt wird, ob es in Dortmund eine "Combat 18"-Zelle gegeben habe und ob er Mitglied gewesen sei, antwortet er: "Dazu werde ich Ihnen nichts sagen." Offenbar hat der Dortmunder aber einen Bezug zur "Combat 18"-Idee. Im Ausschuss wird ihm ein Foto vorgelegt, auf dem ein Tattoo abgebildet ist, das er am Bein trägt. Darauf steht: "Brüder schweigen - what ever it takes - Combat 18". Mindestens den ersten Teil dieser Inschrift scheint sich Robin S. zu eigen gemacht zu haben - seine "Kameraden" dürfte es freuen: Wenige Wochen nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis ist er wieder aktiv in der rechtsextremen Szene. Robin S. trug am 12. Februar 2016 auf einer Demonstration der Partei "Die Rechte" in Dortmund eine Fahne. Neben ihm ging ein Veteran der Dortmunder Szene: Siegfried B., bekannt als "SS-Siggi".