Hörfunk und Fernsehen in der Nazi-Zeit: "Ein Volk, ein Reich, ein Rundfunk"
Hörfunk und Fernsehen in der Nazi-Zeit (Teil 1)
Stand: 03.07.2005, 14:33 Uhr
Im "Dritten Reich" ist der Rundfunk ein Propaganda-Instrument: Mit dem "Volksempfänger" sollen alle "Volksgenossen" auf den "Führer" eingeschworen werden. Das Programm wird von Hitlers Propaganda-Chef Joseph Goebbels persönlich kontrolliert.
Von Dominik Reinle
30. Januar 1933, Tag der Machtübernahme - Adolf Hitler hat sein vorläufiges Ziel erreicht: Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt ihn zum Reichskanzler. Noch am selben Abend übertragen die Rundfunkanstalten den Fackelzug zu Ehren des "Führers". Am Tag darauf hält Hitler seine erste Radioansprache. Für ihn ist klar: "Der Rundfunk ist ein Hauptmittel der Volksaufklärung und Propaganda."
Bis zur Reichstagswahl am 5. März 1933 werden 45 Wahlsendungen der Regierungsparteien ausgestrahlt. Andere Parteien dürfen nicht an die Mikrophone. "Wir begannen im Rundfunk mit einer phantastischen Welle politischer Beeinflussung, Agitation und Propaganda in jeder Form", schreibt Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky später. Fast jeden Abend gehen Reden von Hitler über die Sender. Die NSDAP erreicht zusammen mit den Deutschnationalen bei der Wahl die absolute Mehrheit.
In der Weimarer Republik steht der Rundfunk unter Staatseinfluss
Für die Technik ist die Post zuständig
Zehn Jahre zuvor hat der Hörfunk mit regelmäßigen Ausstrahlungen begonnen. Das neue Massenmedium wird während der Weimarer Republik "innerhalb weniger Jahre zu einem Staatsrundfunk gemacht", wie Journalistik-Professor Jan Tonnemacher in seinem Buch "Kommunikationspolitik in Deutschland" schreibt. 1926 werden "Richtlinien über die Regelung des Rundfunks" erlassen: Das Programm wird durch den Innenminister und die Landesregierungen kontrolliert, für die Technik ist das Postministerium zuständig. Es gibt zwar privatwirtschaftliche Beteiligungen an den regional aufgebauten Rundfunkanstalten, die Mehrheiten liegen aber jeweils beim Reich und den Ländern. Auch bei der 1925 gegründeten Reichsrundfunkgesellschaft, der Dachorganisation der Anstalten, hat der Staat die Mehrheit. Nach der "Rundfunkreform" von 1932 überwachen zusätzlich "Rundfunk-Kommissare" das Programm. Notverordnungen erweitern den Staatseinfluss zunehmend. Damit steht nach Darstellung von Tonnemacher den Nazis 1933 ein "wohlpräpariertes Medium" zur Verfügung.
"Die neue Gesinnung zu Gehör bringen"
Goebbels leitet den Rundfunk
Die braunen Machthaber verlieren keine Zeit: Rund eine Woche nach dem Wahlsieg der NSDAP wird das neue "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda" geschaffen und Joseph Goebbels als Leiter eingesetzt. Nach dem Willen Hitlers ist das Ministerium "zuständig für alle Aufgaben der geistigen Einwirkung auf die Nation". Für den Rundfunk wird eine eigene Abteilung eingerichtet. "Zentrales Anliegen der nationalsozialistischen Rundfunkpolitik war es, den Rundfunk zum wichtigsten Propagandainstrument auszubauen", schreibt Heinz-Werner Stuiber, Professor für Kommunikationswissenschaft, in seinem Buch "Medien in Deutschland". Wie dies zu bewerkstelligen sei, erläutert Goebbels den Rundfunk-Intendanten am 25. März 1933: "Die Phantasie muss alle Mittel und Methoden in Anspruch nehmen, um die neue Gesinnung modern, aktuell und interessant den breiten Massen zu Gehör zu bringen, interessant und lehrreich, aber nicht belehrend".
Gleichschaltung der regionalen Rundfunkanstalten
Jeder "Volksgenosse" soll erreicht werden
Das Massenmedium soll - wie alle Lebensbereiche - nach dem so genannten Führerprinzip organisiert werden. Die dafür notwendige Zentralisierung erfolgt durch "Gleichschaltung". Zur neuen Struktur des Rundfunks teilt Hitler in einem Rundschreiben am 15. Juli 1933 mit, das Reich müsse "die unbeschränkte Verfügungsgewalt nicht nur über das öffentliche Rundfunknetz haben, sondern auch über die Reichsrundfunkgesellschaft und die Rundfunkgesellschaften." Dementsprechend werden die regionalen Gesellschaften als selbstständige Körperschaft aufgelöst. Reichssendeleiter Hadamovsky verkündet, dass mit dem 1. April 1934 für sämtliche Rundfunkanstalten die Bezeichnung "Reichssender" eingeführt werde. Die nationale Revolution finde nun ihre Erfüllung in der Dreiheit "ein Volk, ein Reich, ein Rundfunk".
Personelle "Säuberungen" als "Reinigungsakt"
Die organisatorische Gleichschaltung des Rundfunks wird durch personelle "Säuberungen" ergänzt. Jüdische, sozialdemokratische und kommunistische Mitarbeiter werden entlassen. Goebbels fordert die Intendanten der Rundfunkanstalten am 25. März 1933 auf, diesen "Reinigungsakt" selbst zu vollziehen: "Tuen Sie das aber nicht oder wollen Sie das nicht, dann wird's von uns aus gemacht." Drei Monate später sind die Intendanten bis auf einen, der in die NSDAP eintritt, ebenfalls alle entlassen. Beim Rundfunk dürfen nur noch Journalisten arbeiten, die Mitglied in der "Reichsrundfunkkammer" sind - einer Abteilung der "Reichskulturkammer". Aufgenommen wird nur, wer Goebbels' Kriterien erfüllt.
"Volksempfänger" und "Gemeinschaftsempfang"
"Volksempfänger" für die Masse
Um die Rundfunkpropaganda flächendeckend einsetzen zu können, bauen die Nazis die Sende- und Empfangsmöglichkeiten aus. 1933 wird der preiswerte "Volksempfänger" auf den Markt gebracht, der hinter vorgehaltener Hand als "Goebbelsschnauze" bezeichnet wird. Nach Meinung von Reichssendeleiter Hadamovsky darf es "nicht einen Volksgenossen geben, der kein Rundfunkgerät besitzt". Als weiteres Mittel der Beeinflussung wird der "Gemeinschaftsempfang" im Betrieb und in Ämtern angeordnet. "So haben gleichzeitig annähernd 90 Prozent der Bevölkerung zum Beispiel Hitler-Reden gemeinsam über den Rundfunk miterlebt", schreibt Stuiber in seinem Buch "Medien in Deutschland".
Die Nazis versuchen, die Hörer mit einem heiteren Programm an die Reichssender zu binden. "Sie wollten Ablenkung und Entspannung bieten, aber gleichzeitig auch Aufmerksamkeit für die eigene Propaganda wecken", so der Historiker Prof. Konrad Dussel in seinem Buch "Deutsche Rundfunkgeschichte". Das Rundfunkprogramm wird im Propagandaministerium zusammengestellt. Täglich wird von Goebbels entschieden, welche Informationen in welchen Formulierungen verbreitet werden sollen.