Hörfunk und Fernsehen in der Nazi-Zeit: "Das Bild des Führers einpflanzen"
Hörfunk und Fernsehen in der Nazi-Zeit (Teil 2)
Stand: 03.07.2005, 14:59 Uhr
Fernsehen ist im Nationalsozialismus kein Massenmedium - aus technischen Gründen. Der Hörfunk hingegen vergrößert sein Sendegebiet im Zweiten Weltkrieg mit dem Vorrücken der Wehrmacht immer mehr. Mit Musik und Durchhalteparolen soll der "Endsieg" erreicht werden.
Von Dominik Reinle
Am 22. März 1935 eröffnen die Nazis den ersten regelmäßigen Programmbetrieb des Fernsehens: "In dieser Stunde wird der Rundfunk berufen, die größte und heiligste Mission zu erfüllen: nun das Bild des Führers unverlöschlich in alle deutschen Herzen zu pflanzen", verkündet Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky. Das ist jedoch aus technischen Gründen nur in Ansätzen möglich. "Es ist nicht zu belegen, dass Hitler oder Goebbels jemals einen ausdrücklichen Fernsehauftritt gehabt hätten", schreibt der Historiker Prof. Konrad Dussel in seinem Buch "Deutsche Rundfunkgeschichte". Tatsächlich haben die Nazis nur eine neue Form von Versuchsbetrieb begonnen, um die britische Konkurrenz zu beeindrucken. Die BBC ist noch nicht ganz so weit und geht erst 1936 auf Sendung.
Olympia 1936 live im Fernsehen
Kamera im Olympiastadion
Das NS-Fernsehen ist kein Massenmedium. Es werden in Berlin, Potsdam und Leipzig knapp 30 "Fernsehstuben" für den Gemeinschaftsempfang eröffnet. Während der Olympiade 1936 werden dort Wettkämpfe live übertragen. Das Programm besteht aus Tonfilmen, Wochenschauen und bunten Abenden mit Titeln wie "Künstler spielen für Verwundete" oder "Wir senden Frohsinn - wir spenden Freude". Im Sommer 1939 wird auf der Berliner Funkausstellung ein tägliches Zehn-Stunden-Programm gezeigt. Es wird auch eine Art Fernseh-Volksempfänger vorgestellt, der in einer Serie von 10.000 Stück hergestellt werden soll. Wegen des Kriegsbeginns kommen jedoch nur ein paar Exemplare auf den Markt. Der Programmbetrieb läuft dennoch weiter. Drei Jahre später werden alle öffentlichen Fernsehstuben geschlossen. Der Fernsehempfang bleibt den verwundeten Soldaten in den rund 80 Berliner Lazaretten vorbehalten - sowie einigen wenigen Geräten in Privatbesitz.
Zweiter Weltkrieg beginnt mit Rundfunk-Lüge
Hitlers Kriegslüge wird übertragen
Mit dem Vorrücken der Wehrmacht dehnt sich auch der Einflussbereich des Hörfunks aus. Zum ersten Mal geschieht dies beim "Anschluss" Österreichs. Goebbels verleiht dem deutschen Rundfunk daraufhin in "Anerkennung seiner politischen Leistungen im Jahre 1938" die Bezeichnung "Der Großdeutsche Rundfunk". Der Zweite Weltkrieg beginnt mit einer Propaganda-Lüge, die über den Rundfunk verbreitet wird, wie Prof. Heinz-Werner Stuiber in "Medien in Deutschland" vermerkt. Zunächst inszeniert die SS einen angeblichen polnischen Überfall auf den Sender Gleiwitz. Dann bringen alle Reichssender am 1. September 1939 um sechs Uhr als Sondermeldung einen Aufruf Hitlers an die Wehrmacht: Es "bleibt mir kein anderes Mittel, als von jetzt ab Gewalt gegen Gewalt zu setzen".
Um zehn Uhr wird Hitlers Rede vor dem Reichstag im Rundfunk übertragen: "Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurück geschossen. Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten." Um ihr Nachrichtenmonopol zu sichern, verbieten die Nazis bereits am ersten Kriegstag den Empfang ausländischer Sender. Bei Missachtung drohen Gefängnis und in schweren Fällen die Todesstrafe. 1940 wird ein einheitliches Reichsprogramm eingeführt, das von allen Reichssendern ausgestrahlt wird.
Gute Laune ist kriegswichtig
In der ersten Phase des Krieges funktioniert die Propaganda aus Sicht der Nazis problemlos. Die Wehrmacht siegt an allen Fronten. "Es besteht gegenwärtig ein absolutes Vertrauen zur gesamten Nachrichtenübermittlung", meldet der "Sicherheitsdienst", der über einen weit verzweigten Spitzelapparat verfügt und geheime Lageberichte über die Stimmung der Bevölkerung verfasst. Nach Einschätzung von Prof. Dussel tritt die Wende mit dem Russlandfeldzug ein: Der SD meldet 1941, man mache "sich sehr viele Gedanken darüber, wie weit wir noch in den Raum der Sowjet-Union hineinmarschieren müssten".
Stärkt die Kriegsmoral durch Unterhaltung: Goebbels
Goebbels reagiert prompt: Der Rundfunk muss unterhaltender werden. Die Wortbeiträge werden gekürzt, der Musikanteil steigt. Die entsprechende Musik wird vom eigens gegründeten "Deutschen Tanz- und Unterhaltungsorchester" produziert. Gute Laune ist kriegswichtig. Der SD meldet daraufhin, das neue Programm fände "nahezu restlose Zustimmung", besonders "die verstärkte Berücksichtigung des Humors" finde großen Anklang. 1942 vergrößert Goebbels den Anteil an Unterhaltungssendungen auf mehr als 80 Prozent des Gesamtprogramms.
"Totaler Krieg" und "Sender Werwolf"
Als die Deutschen in Stalingrad kapitulieren, kontert Goebbels zwei Wochen später im Rundfunk mit einer Durchhalte-Rede: Er ruft am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast zum "Totalen Krieg" auf. Als immer mehr Reichssender ausfallen, meldet sich ab dem 1. April 1945 auf deren Frequenzen der "Sender Werwolf". Er appelliert an die Bevölkerung, in den von den alliierten Truppen besetzten deutschen Gebieten Widerstand zu leisten und angebliche Verräter zu töten. Der letzte deutsche Sender, der das Reichsprogramm ausstrahlt, ist der Sender Flensburg. Er beendet seinen Sendebetrieb am 8. Mai 1945 mit dem "Horst-Wessel-Lied". Damit ist der "Großdeutsche Rundfunk" am Ende.