Dach zum Schutz der Bergungsstelle
"Wasser wäre eine Katastrophe"
Stand: 05.03.2009, 11:59 Uhr
Bis zum Donnerstagmorgen (05.03.2009) wurden 300 Regalmeter Archivmaterial sowie mindestens 1.000 Bücher aus dem zerstörten Kölner Stadtarchiv geborgen. Ein provisorisches Dach soll noch verschüttete Schätze schützen.
Von Anja Funk
Ein Großteil der Archivbestände ist allerdings vermutlich unwiederbringlich verloren. Die Leiterin des Historischen Archivs, Bettina Schmidt-Czaia, geht davon aus, dass die Bestände aus dem Keller des Hauptgebäudes vernichtet worden sind. Darunter befinden sich Tausende Dokumente und Urkunden der Kölner Stadtgeschichte. Auch die Familien-Nachlässe und Unterlagen berühmter Persönlichkeiten lagerten in dem Haus, das 1971 eröffnet wurde.
Thomas Becker vom Bonner Universitätsarchiv spricht von "der größten Archivkatastrophe seit dem 2. Weltkrieg". Wissenschaftlern wurde mit der mutmaßlichen Vernichtung der Bestände die Forschungsgrundlage genommen. "Viele Dokumente wurden noch gar nicht aufgearbeitet, wir haben gerade damit begonnen", erzählt beispielsweise die Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner. "Wir sind ja davon ausgegangen, dass die Sachen für immer da sein werden."
Der Archiv-Verlust sei auch aus kirchlicher Sicht dramatisch, sagt Joachim Oepen, Historiker im Kölner Diözesanarchiv. Große Teile des mittelalterlichen Domarchivs lagerten in dem Gebäude an der Severinstraße.
780 Nachlässe und Sammlungen
Erst kürzlich war der gesamte Nachlass des Kölner Schriftstellers Heinrich Böll in den Bestand des Archivs übergegangen. Inzwischen ist bekannt, dass wenigstens ein Teil der Dokumente in Sicherheit ist. Das Heinrich-Böll-Archiv in der Kölner Stadtbibliothek hat sich erst kürzlich einen größeren Bestand ausgeliehen. Ein weiterer Teil des Nachlasses ist derzeit an der Universität Siegen. Rektor Ralf Schnell hatte vor Wochen Originalmaterial für eine 27-bändige Gesamtbibliografie des Nobelpreisträgers aus dem Kölner Archiv entliehen. Dabei handelt es sich nach Schnells Angaben um Kopien von Briefen und Manuskripten, die stellenweise mit handschriftlichen Notizen Bölls versehen sind. "Für den in den Trümmern verbliebenen Teil habe ich wenig Hoffnung", sagt Jochen Schubert, Mitarbeiter des Heinrich-Böll-Archivs. Doch für eine genaue Aussage sei die momentane Situation noch zu undeutlich.
Der Nachlass des Schriftstellers Heinrich Böll ist nur einer von 780 Nachlässen und Sammlungen, die in dem Gebäude in der Kölner Südstadt untergebracht waren. Auch die Archivalien des ehemaligen Kölner Oberbürgermeisters und ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer liegen unter den Trümmern. Sein ältester Enkel hofft, dass die zahlreichen Dokumente geborgen werden können. "Als ich die Unterlagen zuletzt sah, waren sie in Folien eingeschweißt. So dass sie beim Einsturz vielleicht nur leicht beschädigt, nicht aber zerstört wurden", sagte Konrad Adenauer WDR.de.
"Wasser wäre eine Katastrophe"
Zur Rettung von Dokumenten ist nun vor allem der Schutz vor Regen wichtig. Daher will die Feuerwehr eine provisorische Dachkonstruktion über den Trümmern aufbauen. Sie soll aus Blechen und Planen bestehen. "Wenn zu diesem Konglomerat aus Staub, Beton und Papier noch Wasser hinzukommt, ist alles verloren", hatte Dombaumeisterin Schock-Werner am Mittwoch (04.03.2009) erklärt. "Das Gute an Papier ist, dass es nicht zerbricht, biegsam ist und sich pressen lässt", meinte Schock-Werner. Wenn also Dokumente geborgen werden können, würden diese mit modernster Technik von Experten auch wieder aufgearbeitet werden können. Volker Hingst, der Leiter der Papierrestaurierung in Brauweiler, rechnet allerdings mit bis zu 30 Jahren für die Wiederherstellung der verschütteten Archivdokumente.
Die Archiv-Bestände, die nicht geborgen werden können, bleiben für immer verloren, weiß der Archivar der Kölner Universität, Andreas Freitäge. Einige Dokumente und Urkunden sind im Laufe der Zeit abgefilmt worden. "Doch ein Film ersetzt das Material nur unvollkommen." So wäre auch die Gründungsurkunde der Kölner Universität unwiderruflich vernichtet, die ebenfalls im Historischen Archiv lagerte. Insgesamt schätzen Experten den Wert der eingelagerten Bestände auf rund 400 Millionen Euro.
Dennoch wäre es nach Aussage von Barbara Schock-Werner "eine ungleich größere Katastrophe, wenn die ganze Mannschaft des Archivs verschüttet worden wäre".