Wie viele andere Bürger in NRW will Inge Schürmann nicht, dass Bilder ihres Haus beim Straßenbilderdienst Street View veröffentlicht werden. "Ich persönlich habe aus Sicherheitsgründen Einspruch erhoben", sagt die Sprecherin der Stadt Köln. Außerdem wolle sie nicht von Leuten angeschrieben werden, die meinten, sie könnte vielleicht "neue Fensterläden oder andere Produkte" gebrauchen. Es sei ein großer Eingriff in die Privatsphäre, dass ein Unternehmen Fotos von Immobilien mache und damit Geld verdiene, ohne vorher die Eigentümer fragen zu müssen.
Auch Ulrich Lepper hat Widerspruch eingelegt: "Die Hausfassade und das Wohnumfeld sagen etwas über die Wohnverhältnisse aus", erklärt der Landesdatenschutzbeauftragte. Wer wisse heute, ob Versicherungen die Daten nicht zur Risikobewertung heranziehen oder Banken auf die Bonität eines Kunden schließen würden? Werte man weitere Informationen aus, die über eine Person im Netz kursieren, könnten sich viele kleine Puzzlesteinchen zu einem Profil zusammensetzen.
Start Ende 2010 in neun NRW-Städten
Erstmals weltweit räumt Google in Deutschland Hausbesitzern und Mietern vor der Einführung von Street View ein Widerspruchsrecht ein. Möglich wurde das durch einen 13-Punkte-Plan, den das Unternehmen mit Datenschützern vereinbarte. Google hatte Mitte August auf seiner Internetseite eine Funktion eingerichtet, um neben E-Mail und Brief auch mittels Online-Formular einen Widerspruch zu ermöglichen.
Die Vorab-Widerspruchsfrist gegen Street View läuft am Freitag (15.10.2010) um Mitternacht für die Einwohner der 20 größten Städte in Deutschland ab, neun davon liegen in NRW. Google will hierzulande bis Ende des Jahres den Kartendienst starten. Das Angebot, das es bereits für 23 Länder gibt, wird in Deutschland rege genutzt, zugleich ist seine Einführung umstritten. Datenschützer befürchten, es könnte für kriminelle Zwecke missbraucht werden.
Tausende von Widersprüchen
Wie viele Menschen in Nordrhein-Westfalen Einspruch gegen Street View erhoben haben, weiß bislang niemand genau, auch nicht Google. Manche Anträge seien doppelt eingereicht worden oder hätten sich auf andere Google-Produkte bezogen, sagte Sprecherin Lena Wagner. Ebenso seien unter der kommunizierten Adresse Spams aufgelaufen. Sobald die eindeutige Zahl der Anträge feststehe, werde sie veröffentlicht.
Konkrete Zahlen können bereits einige Städte nennen, die ihre Bürger beim Einlegen des Widerspruchs unterstützt haben. In Wuppertal ist die Sammelliste, die bei der Stadtverwaltung auslag, rund 2.600 Unterschriften lang. In Köln trugen sich mehr als 1.500 Leute ein. In Bielefeld zählte die Stadt 3.567 Aufrufe des Widerspruchsformulars, das sie auf ihre Website gestellt hatte. Der NRW-Datenschutzbeauftragte Leppert spricht von einer Teilmenge. "Viele haben ihre Widersprüche auf anderen Wegen geschickt, sich beispielsweise direkt an Google gewandt."
Kritik am Online-Verfahren
Kritik gab es am Online-Formular bei Google. Betroffene, die dort Widerspruch einlegten, klagten, das Verfahren sei zeitaufwändig und umständlich gewesen. Zunächst forderte Google auf, die Adresse des Hauses einzutragen, dann wurden weitere Informationen über das Haus abgefragt, beispielsweise die Zahl der sichtbaren Stockwerke, eine Beschreibung des Dachs und der Fassade des Gebäudes. Nach dem Widerspruch erhielt der Betroffene eine Eingangsbestätigung per E-Mail. Per Post bekam er später einen Code, mit dem er über die Internetseite von Google den Widerspruch endgültig bestätigen musste. Erst danach war das Verfahren abgeschlossen. Inge Schürmann wartete wochenlang auf den Brief mit dem Code. Angekündigt waren "einige Tage". Leppert hält es für eine "Zumutung", dass der Widerspruch so viel Aufwand erfordert. Insbesondere für Menschen, die wenig Übung beim Umgang mit Online-Formularen hätten, sei das problematisch.
Was geschieht mit den Daten?
Anschrift des Mieters, E-Mail des Eigentümers, detaillierte Angaben zum Haus: Was geschieht mit den Daten, die Google beim Online-Widerspruch auf seinen Seiten sammelt? Diese Frage stellt sich nicht nur Leppert als Datenschutzbeauftragter. Einige Bürger hätten aus Angst davor, im Zusammenhang mit Street View noch mehr Details zu offenbaren, auf einen Widerspruch verzichtet, sagt der Datenschutzbeauftragte der Stadt Bielefeld, Dieter Giersch. Google selbst betont, alle Widerspruchsdaten würden nur noch zur Dokumentation der ordnungsgemäßen Bearbeitung gespeichert und "im Rahmen der gesetzlichen Verjährung eventueller Ansprüche" gelöscht. Auch die Original-Bilder von unkenntlich gemachten Immobilien würden innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung mit Weichzeichnern behandelt.
Widerspruch auch künftig möglich
Bewohner von Städten und Gemeinden, für die Street View erst nach 2010 verfügbar ist, können weiterhin per Online-Funktion bei Google oder via Post Anträge zur Vorab-Unkenntlichmachung einreichen. Wenn Street View eingeführt ist und die Bilder bereits online zu sehen sind, ist es laut Google "jederzeit und ohne jegliche Frist" möglich, Anträge auf Unkenntlichmachung von Häusern und Wohnungen zu stellen. Dafür stehe auf den Seiten von Street View der Link "Ein Problem melden" zur Verfügung. Ebenfalls lässt sich dort kontrollieren, ob ein Haus oder eine Wohnung nicht mehr erkennbar ist.