Mann sitzt auf einem Steg am See mit Blick auf Villen

Fragen an den Drehbuchautor Michael Gantenberg

Stand: 02.11.2016, 16:00 Uhr

Michael Gantenberg hat das Drehburch zur Serie "Phoenixsee" geschrieben. Im Interview erzählt er, wie viel Klischee in der Serie steckt, und was ihn persönlich mit dem Ruhrgebiet verbindet.

Was war zuerst da: Die Idee zu einer Serie mit zwei Familien aus unterschiedlichen Milieus oder der "Phoenixsee"?

Die Idee einer modernen Familienserie war immer da, was mir fehlte, war ein Konflikt, den ich spannend genug fand, um mehr daraus zu machen als "nur" eine weitere Variation des beliebten Musters – zwei Familien hassen sich, und dann verlieben sich zwei aus den verschiedenen Feindeslagern – und am Ende gibt es den nächsten "Romeo und Julia"-Aufguss.

Der "Phoenixsee" gab mir die Möglichkeit, zwei völlig verschiedene Familien zu erzählen, die genau einen Steinwurf voneinander entfernt leben und durch ein gemeines Schicksal verbunden werden. Es geht um eine existenzielle Bedrohung, die abgewehrt werden muss – auf der schönen und der weniger schönen Seite dieses Sees. Es geht also um nicht mehr als den Kampf ums Überleben.

Der Dortmunder Phoenixsee ist auch ein Symbol für den Strukturwandel im Ruhrgebiet.

Ich bin mir nicht sicher, ob der See ein Symbol für den Strukturwandel ist. Für mich ist er das Symbol eines politischen Willens. Ich glaube, der See spaltet die Dortmunder, zumindest die, die dort wohnen. Die einen fnden ihn toll, nutzen ihn als Naherholungsgebiet. Die anderen sehen nur die über 200 Millionen Euro, die hier "baden" gegangen sind zum Wohle derer, die den Blick direkt am See genießen können, weil sie genug Geld hatten, um dort auch selbst noch bauen zu können.



In jedem Fall bietet der Phoenixsee für jeden den Blick auf etwas Schöneres als das Stahlwerk, das dort mal stand – das ist aber wie mit einem Schaufenster, die einen können kaufen, was sie sehen, die anderen nicht. Dass es dann auch Menschen gibt, die vor dem Schaufenster so was wie eine diffuse Wut empfinden, weil man sich das alles nicht leisten kann, das kann sich ja jeder vorstellen. Das Problem ist nur, Schaufenster kann man meiden, den See nicht, jedenfalls nicht, wenn man dort wohnt – egal auf welcher Seite.

Wie haben Sie für die Serie recherchiert?

Jede Serie hat ein Gefühl, eine Seele, die sollte man nicht recherchieren, die sollte man fühlen, damit man als Autor auch weiß, was man da tut. Das Ruhrgebiet ist meine Heimat, dort wurde ich geboren, geprägt und aufs Leben vorbereitet. Auch wenn ich dort nicht mehr wohne, den Pulsschlag fühle ich aber noch immer, und die Seele hat den Umzug überlebt. Recherchiert habe ich "nur" die Fakten, die das existentielle Drama dieser Serie befeuern – der Rest stand auf meiner biographischen Festplatte. Und alles andere habe ich dort recherchiert, wo man nichts tun muss, außer zuhören – im Westfalenstadion, als Dauerkartenbesitzer des BVB – mehr Revierseele atmen geht nicht. Hier ist immer Drama – in dieser Saison meist mit Happy End.

Ruhrpott-Slang, der BVB, Arm und Reich – Tür an Tür: Wie viel Klischee steckt in der Fernsehserie "Phoenixsee"?

Da ich mich immer wahnsinnig ärgere, wenn Menschen das Ruhrgebiet nur auf die Klischees reduzieren, habe ich entsprechend keine bedient. Was hier passiert, passiert wirklich – und wer es bezweifelt, dem könnte ich die realen Vorlagen zeigen.

Könnte die "Phoenixsee"-Geschichte auch woanders spielen?

Nein, diese Serie kann nur am Phoenixsee spielen, es sei denn, es gelingt zum Beispiel den Hamburgern mitten in Blankenese den Sozialen Wohnungsbau zu integrieren oder den Bayern im Süden Deutschlands supergünstige Grundstücke am Starnberger See für kinderreiche Familien freizugeben, wo dann der KFZ- Mechaniker Tür an Tür mit einem Schönheitschirurgen wohnt.

Ich kenne keinen Ort in Deutschland, wo Gewinner und auch Verlierer so eng zusammen leben und den fast "gleichen" Blick aufs Schöne bekommen. Der Blick kostet ja nix. Der Rest ist das Problem – für die einen mehr, die anderen weniger. Ist "Phoenixsee" am Ende ein moderner Heimatfilm in sechs Teilen?

Mhm, ja, eigentlich schon – nur ohne Kitsch und Klischee und mit viel Spannung ohne Krimi. Am Ende ein Klassiker – Arm und Reich in der Tragödie vereint. Klingt traurig. Ja, aber wir erzählen doch im Ruhrgebiet – hier werden die besten Witze auf der Beerdigung gemacht und über Schalke, aber das ist ein anderes Thema.