Eine Multimedia-Reportage als virtuelles Museum
Stand: 03.05.2017, 11:19 Uhr
WDR 3-Reporter Thomas Köster war der Erste, der den Nachlass des Künstlers Erwin Hapke fotografieren durfte: ein Haus gefüllt mit abertausenden Faltkunstwerken: "Im schlimmsten Fall ist diese Reportage das Einzige, was von Hapkes geheimen Museum übrig bleibt." Die Reportage ist für den Grimme Online-Award nominiert.
WDR 3: Ihre Multimedia-Reportage, die Sie für WDR 3 produziert haben, ist für den renommierten Grimme Online-Award nominiert. Glückwunsch, Herr Köster. Warum hat sich damals für Sie die Form eine Multimedia-Reportage angeboten?
WDR 3-Autor Thomas Köster
Thomas Köster: Dankeschön. Ich war der erste Autor und Fotograf, der in dieses Haus durfte, wofür ich sehr dankbar bin. Aus den Fotos haben wir - die WDR 3 Onlineredaktion und ich - zunächst eine Bilderstrecke produziert. Es hat eine enorme Resonanz gegeben, vor allen Dingen in den sozialen Medien.
In den ersten zwei, drei Tagen ist diese Bilderstrecke fast zwei Millionen Mal geklickt worden. Es hat sich eine sehr respektvolle Facebook-Diskussion entwickelt, die sich mit dem Werk und Erwin Hapke beschäftigt hat.
Erwin Hapke schuf hunderttausende Faltfiguren in seinem Haus
Es hat sich aber auch gezeigt, dass man diese Geschichte nicht so linear erzählen kann, wie wir das mit dieser Bilderstrecke versucht haben. Es gibt einmal das Haus, das noch steht, es gibt den Menschen Hapke, der als Person ein Phänomen ist, und es gibt die Geschichte, die sich jetzt aus beidem entspinnt, wie es mit diesem Haus weitergehen könnte.
WDR 3: Kann man die Gefühle, wenn man durch dieses Haus geht, überhaupt medial vermitteln?
Köster: Wir versuchen es, so gut wie es geht. Und zwar dadurch, dass wir ein ganz entscheidendes Element eingeführt haben: 360 Grad-Fotos. Es gibt drei Räume, in jedem Stockwerk ist es einer, der sich über 360 Grad-Fotos erschließen lässt.
Man kann tatsächlich in diese Räume hineingehen und sich umschauen, man kann die Objekte nah heranzoomen. Wer eine Virtual Reality-Brille hat, mit der man den Blick schweifen lassen kann, als wäre man in diesem Raum, kann auch hin- und hergehen.
Wir haben noch eine Besonderheit, die gefällt mir am besten: wir haben ein 360 Grad-Video, in dem Matthias Burchardt, der Neffe von Erwin Hapke, in seinen Lieblingsraum geht, in das sogenannte "Insektenzimmer". Er beschreibt, was er empfunden hat, als er am Tag der Beerdigung zum ersten Mal diesen Raum gesehen hat. Man kann ihm auf seinem Weg folgen, man kann aber auch den Blick schweifen lassen in diesem Raum und dann irgendwann wieder zu ihm stoßen. Das hat mich am meisten beeindruckt.
WDR 3: Kann dieses Haus besichtigt werden?
Köster: Es kann nicht besichtigt werden. Es kann nur über die 360 Grad-Fotos besichtigt werden, die eine Art virtuelles Museum im Netz sind. Dass das Haus irgendwann einmal besichtig werden kann, ist offenbar der große Wunsch von Erwin Hapke gewesen.
Er hat das Haus als Museum eingerichtet, es ist auch alles arrangiert. Es gibt ein primitives Besucherleitsystem, im ersten Stock gibt es einen Zettel an einer Wand, auf dem steht: "Bilder aus Blech". Der führt ins Dachgeschoss, wo diese Blechformungen sind. Das sind überdimensional große Tiere aus Blech gefaltet, bei denen sich Ingenieure fragen, wie er das gemacht hat.
Hapke schuf überdimensionale Figuren aus Blech
Ich habe die Vorlagen gesehen, es sind noch einige Sachen, die er nicht hat fertigstellen können, also noch vorgestanzte Bleche, die er offenbar eingeritzt hat. Zwei Monate nach seinem Tod ist die Werkstatt von ihm entdeckt worden, die überwuchert war. Da ist eine kleine Schraubzwinge drin. Er muss es wirklich geschafft haben, mit dieser kleinen Schraubzwinge Millimeter für Millimeter diese Figuren gefaltet zu haben.
WDR 3: Meinen Sie, das Haus hat Chancen, einmal ein Museum zu werden?
Köster: Ich würde es ihm sehr wünschen. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass das Haus irgendwann geleert wird und es nur noch diese Multimedia-Reportage gibt. Das Beste, was passieren kann, ist, wenn diese Multimedia-Reportage irgendwann mal ein nettes Gimmick wäre, für all die, die in das Haus gehen wollen oder in dem Haus schon gewesen sind.
Erwin Hapkes Haus in Unna
Es gibt Bestrebungen, vor allem von Künstlern, das Haus zu bewahren. Eine Bonner Kunsthistorikerin, der Leiter von Tony Craggs Skultpurenparks in Wuppertal und eine Kölner Künstlerin wollen das Haus erforschen und bewahren. Es gibt offenbar Ambitionen, Künstler einzuladen, die dann in Dialog mit diesem Werk treten. Aber dazu braucht es halt Geld und im Moment ist es einfach so, dass das Geld nicht da ist. Die Figuren fallen von den Wänden, sie werden zum Teil wellig, weil das Haus nicht mehr beheizt wird. Es muss schnell etwas geschehen.
Die Fragen stellte Ulrich Biermann in der Sendung WDR 3 Resonanzen.