Isaac Löwenstein ist ein gläubiger Jude, der seinen preußischen König verehrt. Am 20.10.1823 schreibt er bei Gütersloh den letzten Eintrag in sein Militär-Tagebuch.
Isaac Löwenstein gehört zur ersten Generation von Juden in Preußen, die nach und nach gleichberechtigt wurden: zu jüdischen Preußen. Mit allen Rechten, aber auch allen Pflichten. Auch der Wehrpflicht. Sein Tagebuch zeigt, wie es ihm in der Armee ergeht.
*** Das ist unser Interviewpartner:
Manfred Beine (Archivar und Herausgeber)
*** Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Heiner Wember, Redaktion: David Rother
Die rechtliche Gleichstellung der Juden, die im 18. Jahrhundert so genannte "Judenemanzipation", ist auch durch den reaktionären preußischen König nicht mehr rückgängig zu machen. Juden dürfen Beruf und Wohnort weitgehend frei wählen und studieren. Sie müssen aber auch zum Militär. Isaac Löwenstein, Papierhändler aus Rietberg-Neuenkirchen bei Gütersloh, ist der erste seiner Familie, den es trifft. Drei Jahre lang muss er dienen.
In seinem Tagebuch beschreibt er seine anfängliche Angst vor dem preußischen Drill und seine durchaus harten Erfahrungen bei der militärischen Ausbildung. Allerdings findet sich darin keine Bestätigung üblicher Vorurteile gegen den "preußischen Kommiss", z.B. was die Misshandlung von Soldaten oder den so genannten Kadavergehorsam angeht.
Erstaunlich scheint aus heutiger Sicht, dass das preußischen Militär weltanschaulich recht liberal sein konnte. Ressentiments gegen Juden gab es kaum, und die Offiziere versuchten sogar, auf religiöse Vorschriften Rücksicht zu nehmen. Löwenstein berichtet, wie er von seinem "Herrn Hauptmann" die Erlaubnis erhielt, "für immer des Sabbats vom Exerzieren frei zu sein".
Juden in Deutschland gehen mit der Emanzipation unterschiedlich um. Viele geben ihre jüdischen Wurzeln auf, lassen sich taufen und versuchen so, ganz in der Mehrheitsgesellschaft aufzugehen. Löwenstein beschreitet den Weg der kulturellen Angleichung, indem er seinen Glauben mit allem verbindet, was er für deutsch und preußisch hält.
Für Isaac Löwenstein scheint Geschichte zeitlebens ein permanenter Fortschritt. Dass die Zivilisation, so wie er sie empfindet, stetig höhere Stufen erreicht. Die deutsche Barbarei hätte er sich niemals träumen lassen. Auch nicht, dass sein Enkel und viele Angehörige ermordet würden und andere Familienmitglieder ins Ausland fliehen müssten. Mit seinem Tagebuch im Gepäck.
In diesem Zeitzeichen erzählt Heiner Wember:- Wie Napoleon die Gleichstellung der Juden im Königreich Westfalen betrieb
- Warum ein gläubiger Jude sich beim Militär als überlegener Preuße fühlte
- Wie mit der Reichsgründung 1871 auch für Isaac Löwenstein ein deutscher Traum wahr wurde
Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:- Manfred Beine (Archivar und Herausgeber)
- Beine, Manfred/Kant, Marion/Othengrafen, Ralf (Hgg.): Ein westfälischer Jude in der preußischen Armee Isaac, Löwenstein aus Rietberg-Neuenkirchen und sein Tagebuch 1821–1823. Verlag für Regionalgeschichte, 2021
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Redaktion: David Rother
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