Schulministerin Feller entschuldigt sich für verschobene Abi-Prüfungen

Stand: 19.04.2023, 16:11 Uhr

Die schriftlichen Abitur-Prüfungen in NRW sind kurzfristig auf Freitag verschoben worden, weil es Probleme mit dem Download der Aufgaben gab. Feller erklärte das Chaos vor der Presse.

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Eigentlich sollten am Mittwoch in NRW die schriftlichen Abitur-Prüfungen für 30.000 Schülerinnen und Schüler beginnen. Erst am Dienstagabend erfuhren sie, dass wegen massiver technischer Probleme ihre Prüfungen auf Freitag verschoben wurden.

Am Mittwoch waren Prüfungen geplant in Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik, Physik, Technik. Doch die zentral gestellten Aufgaben konnten nur von rund einem Drittel der Schulen erfolgreich vom Server eines externen IT-Dienstleisters heruntergeladen werden. Von 900 Schulen gelang es laut Ministerium nur rund 300.

Feller: "Sehr sehr sauer auf uns selbst"

Am Mittwochvormittag sagte Schulministerin Dorothee Feller (CDU) in einem Pressegespräch, das hätte nie passieren dürfen. Sie entschuldigte sich bei Lehrern und Schülern, nannte den Vorgang "ärgerlich" und dankte zugleich für die Geduld der Betroffenen, bis eine Entscheidung getroffen wurde.

Zeitgleich veröffentlichte ihr Ministerium auf Twitter ein Video, in dem sich die Ministerin selbstkritisch und betroffen zeigt. "Es ärgert uns zutiefst." Sie könne es nachvollziehen, wenn die Abiturientinnen und Abiturienten "so richtig sauer auf uns sind. Und ehrlich gesagt, ich bin auch auf uns selbst sehr, sehr sauer."

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Der Ablauf der Panne

Die technische Plattform für die Abitur-Prüfungen, so die Ministerin vor der Presse, werde seit 2018 von einem externen IT-Dienstleister zur Verfügung gestellt. Die Schulen sollen normalerweise die Aufgaben immer einen Tag vor der schriftlichen Prüfung herunterladen können. Am Dienstag sei das Ministerium vom Dienstleister um 14.10 Uhr informiert worden, dass es bei einigen Schulen Probleme gab.

Zeitgleich sickerte diese Information auch an die Presse durch. Doch das Ministerium hüllte sich in Schweigen. Und damit blieben die Betroffenen - also Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler und Eltern - über quälend lange Stunden im Ungewissen. Erst gegen 20.30 Uhr sagte das Ministerium die Abi-Prüfungen für Mittwoch ab. Feller erklärte diese späte Reaktion damit, dass das Ministerium bis zuletzt versucht habe, den ursprünglichen Termin zu retten und deshalb auch keine Zwischenstände kommunizieren wollte.

Feller über Spekulationen zur Fehlerursache

Doch diese lange Zeit bis zur Absage gab Raum für viele Spekulationen zur Fehlerursache. Feller bezog sich vor der Presse auch auf diese Vermutungen. Eine davon war, dass der Workflow nicht getestet worden sei. Laut Schulministerin gab es jedoch im Herbst einen Test mit 300 Schulen, insbesondere im Fach Chemie. Ein Video, das als Ursache der Download-Probleme vermutet worden war, habe zwar zu einer Klausur gehört. Aber das Ministerium glaubt nicht, dass dies das Problem war. Das gesamte Datenpaket, das die Schulen herunterladen mussten, sei 480 Megabyte groß gewesen.

Keine neuen Abitur-Aufgaben

Zu den Worst-Case-Szenarien, die alle Betroffenen durchgespielten, gehörte auch, dass das Abitur nicht rechtssicher sein könnte, weil einige Lehrkräfte wohl versucht haben sollen, sich gegenseitig auszuhelfen mit der Weitergabe des Aufgabenpakets per E-Mail. Was in der Regel nicht sonderlich sicher ist.

Feller betont jedoch, die Schulen seien angehalten, die Aufgaben unter Verschluss zu halten. Bisher sehe sie keinen Anlass, neue Aufgaben zu stellen. Sollten dennoch Aufgaben unter Schülern bekannt geworden sein, gebe es bereits fertige, alternative Aufgaben.

Der Tweet zu einem angeblichen Leak der Aufgaben soll gefälscht sein, das passe nicht zu den Aufgaben, sagte die Ministerin. Dieser Tweet stammte von der IT-Sicherheitsexpertin und Softwareentwicklerin Lilith Wittmann und führte zu Daten eines Testservers, was zumindest weitere Fragen aufwirft.

Rücksicht auf Zuckerfest, aber nicht auf Bahnstreik

Da der neue Abiturprüfungstermin am kommenden Freitag für muslimische Schülerinnen und Schüler mit dem Zuckerfest kollidiert, bietet das Ministerium auf Wunsch Nachschreibtermine an.

Zum für Freitag angekündigten Bahnstreik sagte Dorothee Feller, "da gilt der Grundsatz, dass Schülerinnen und Schüler sehen müssen, wie sie zur Schule kommen".

Weitere Abi-Prüfungen wohl nicht gefährdet

Laut Ministerin sind die Abitur-Prüfungen in weiteren Fächern nicht gefährdet. Der heutige Download für die nächste Runde am morgigen Donnerstag laufe bislang problemlos, so Feller am Vormittag.

Wüst: "darf nicht passieren"

Auf Twitter nahm auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) Stellung zum Abi-Desaster: "Dass die Abiturprüfungen in NRW verschoben werden müssen, darf nicht passieren - ganz gleich, woran es gelegen hat." Auch er bittet alle Betroffenen "ausdrücklich um Entschuldigung". Die Schülerinnen und Schüler hätten "ein Recht auf gute und faire Bedingungen für ihr Abitur". Darauf liege nun der Fokus. Zugleich schrieb Wüst aber auch, es sei gut, dass Feller "die Aufklärung bereits angestoßen" habe.

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LSV NRW: Ministerium braucht eigene Plattform statt externer Dienstleister

Die "Landesschüler*innenvertretung NRW" (LSV NRW) übte am Mittwoch heftige Kritik am Schulministerium "für die unzureichende Vorbereitung auf die anstehenden Abiprüfungen". Das "Chaos" sei ein weiterer Beleg dafür, dass "das zentralisierte Abitur und der Privatisierungswahn der Landesregierung für zukünftige Abschlussprüfungen überwunden werden müssen". Die LSV beklagt auch, dass sich das Ministerium auf externe Dienstleister verlässt. Es hätte "rechtzeitig eigene, erprobte Plattformen und Verteilungssysteme etablieren müssen - schließlich gibt es in NRW seit 2007 das Zentralabitur", sagte Sebastian Dahlmann vom Landesvorstand.

Der verschobene Prüfungstermin bedeute "nicht nur mehr Stress durch fehlende Lernpausen oder mehr Belastung, sondern im Zweifelsfall auch eine schlechtere Note", befürchtet Dahlmann. Der angekündigte ganztägige Bahnstreik am Freitag sei zudem mit der Angst vor Verspätungen zur wichtigen Abi-Prüfung verbunden. Zudem sei am Freitag das Zuckerfest. Darum nennt die LSV den Ausweichtermin "eine Katastrophe".

Scharfe Kritik aus den Reihen der SPD

Kritik kam auch von der schulpolitischen Sprecherin der SPD, Dilek Engin. Sie sagte am Mittwoch, ein Technikversagen könne passieren. "Aber was nicht passieren darf: alle Beteiligten schlicht im Regen stehenzulassen. Fünf Stunden lang keinen Telefonhörer abzunehmen und auf Tauchstation zu gehen, das ist nicht nur Kommunikationsversagen. Das ist auch Verwaltungsversagen." Dafür trügen die Ministerin und ihr Staatssekretär die Verantwortung.

SPD beantragt Sondersitzung

Die SPD-Fraktion hat eine Sondersitzung des Schulausschusses für Donnerstag beantragt. Ziel sei es, zu klären, "wie jetzt ein rechtssicheres Abitur gewährleistet werden kann", erklärte Dilek Engin. Zudem gehe es darum, "wie bei dem angekündigten Bahn-Streik sichergestellt werden kann, dass alle Schülerinnen und Schüler rechtzeitig zu den Prüfungen kommen und nicht eventuell doch schon die Prüfungsaufgaben kursieren".

Stattfinden wird die Sondersitzung nun jedoch erst am Freitag. Der Ausschussvorsitzende Florian Braun (CDU) begründete dies damit, dass es am Donnerstag erneut Downloads von Abiturprüfungen gebe, die durch das Schulministerium begleitet würden. Daher erscheine eine Sitzung genau in diesem Zeitfenster nicht sachgerecht.

Die Sozialdemokratin Engin kritisierte diese Terminierung: "Die Sitzung erst zu machen, wenn die Prüfungen laufen, ist absolut an der Sache vorbei."