Brandschutz und Evakuierung in Pflegeheimen

Aktuelle Stunde 04.03.2024 UT Verfügbar bis 04.03.2026 WDR Von Tim Köksalan

Feuer im Seniorenheim: Was tun, wenn's brennt?

Stand: 04.03.2024, 15:30 Uhr

Das verheerende Feuer in Bedburg-Hau mit Toten und Verletzten ist kein Einzelfall. Zu Bränden in Seniorenheimen kommt es immer wieder. Im Notfall kommt es auf jede Sekunde an.

Von Andreas Poulakos

Nach dem Feuer in einem Seniorenheim in Bedburg-Hau glauben die Ermittler, die Brandursache bereits zu kennen. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Montagnachmittag mitteilten, wird ein 71-jähriger Bewohner verdächtigt, das Feuer fahrlässig verursacht zu haben. Das Pflegeheim sei vorerst nicht mehr bewohnbar, auch weil die Brandmeldeanlage zerstört wurde, erklärte ein Sprecher der Freiwilligen Feuerwehr. Die Bewohner müssten anderweitig untergebracht werden.

Für Senioren- und Pflegeheime gelten strenge Regeln für den Brandschutz. Zudem sollten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Idealfall regelmäßig trainiert haben, wie die schnelle Räumung der Einrichtung im Notfall abläuft. Dazu einige Fragen und Antworten.

Mehrere Tote bei Brand in Seniorenheim in Bedburg-Hau

00:40 Min. Verfügbar bis 04.03.2026


Wie oft brennt es in Heimen für Senioren?

Nach Statistiken des Bundesverbands Technischer Brandschutz (bvfa) kam es im Jahr 2023 insgesamt zu 126 Bränden in Senioren- und Pflegeheimen. Dabei kamen 22 Menschen ums Leben, 181 Personen erlitten teilweise schwere Verletzungen. Im ersten Quartal 2024 gab es laut Deutscher Stiftung Patientenschutz bereits 26 Brände.

Feuer in solchen Einrichtungen gelten als besonders gefährlich für Bewohner und Bewohnerinnen, weil diese möglicherweise durch eine Demenzkrankheit oder weniger Mobilität zusätzlich eingeschränkt sind. Sie brauchen also im Notfall Hilfe und Unterstützung durch geschultes Personal, um die Gefahrenzone schnell und zügig zu verlassen.

Das gilt auch und besonders für die Nachtstunden, wenn nur vergleichsweise wenige Pflegekräfte und Betreuer anwesend sind. Denn: Mehr als die Hälfte der Brände entsteht laut bvfa zwischen 19.30 Uhr und 6 Uhr morgens.

Was sind häufige Brandursachen?

Nach Untersuchungen des TÜV entstehen Brände in Altenheimen besonders häufig aus folgenden Gründen:

  • Selbstentzündung von (oft veralteten) Elektrogeräten (zum Beispiel Heizdecken)
  • Fahrlässiger Umgang mit Feuer (Rauchen oder Kerzen)
  • Offenes Feuer in der Nähe von Sauerstoffgeräten
  • Heizgeräte, deren Belüftung unterbrochen wird (zum Beispiel durch nasse Wäsche)
  • Brandstiftung

Gibt es rechtliche Anforderungen?

In Nordrhein-Westfalen ist der Brandschutz in Senioren- und Pflegeheimen unter anderem in der "Richtlinie über bauaufsichtliche Anforderungen an den Bau und Betrieb von Einrichtungen mit Pflege- und Betreuungsleistungen" geregelt. Darin ist nicht nur vorgeschrieben, welche Materialien beim Bau und der Einrichtung eines Heims zum Einsatz kommen dürfen und wie die Rettungswege beschaffen sein müssen, sondern auch die Schulung der Mitarbeiter für den Notfall. Zum Beispiel muss ein Brandschutzkonzept vorliegen, in dem genau festgelegt ist, wie das Personal hilflose Bewohner und Bewohnerinnen aus den unmittelbaren Gefahrenzonen führen soll.

Das Verhalten bei einem Brand muss regelmäßig trainiert werden - eine Schulung neuer Mitarbeiter ist vorgeschrieben, anschließend muss die Übung regelmäßig wiederholt werden. Überwacht wird das Ganze von einem oder einer Brandschutzbeauftragten. Laut Michael Müller, Brandschutzexperte beim TÜV Rheinland, können Brandschutzkonzepte allerdings je nach Einrichtung voneinander abweichen. Verschiedene Räumlichkeiten erforderten einen individuellen Ansatz. Außerdem müssten sich die Pläne an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Bewohner orientieren.

Wie sollte eine Evakuierung im Notfall ablaufen?

Im Idealfall sollten bereits beim Eintreffen der Kräfte von Feuerwehr und Sanitätsdiensten alle gefährdeten Personen den Gefahrenbereich verlassen haben. Das ist besonders bei alten und gebrechlichen Bewohnern dringend, weil Rauchgas bereits nach wenigen Atemzügen zum Tod führen kann. Es kommt also auf jede Sekunde an.

Flucht- und Rettungswege müssen frei sein, alle Beteiligten müssen genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Die Bezirksregierung Münster verlangt zum Beispiel in einer Handlungsempfehlung, dass der direkte Brandbereich innerhalb von fünf Minuten geräumt ist. Eine Auswahl der wichtigsten Empfehlungen:

  • Feuerwehr alarmieren.
  • Räume, in denen es akut brennt, als erste räumen.
  • Sobald ein Raum evakuiert und gesichert ist: Türen schließen, um eine weitere Ausbreitung von Feuer und Rauch zu verhindern.
  • Jeweils zwei Mitarbeiter kümmern sich gemeinsam um die Rettung eines Bewohners.
  • Für Personen mit eingeschränkter Mobilität müssen Hilfsmittel direkt verfügbar sein: zum Beispiel Evakuierungstücher oder -decken.
  • Ein vollständige Patientenliste muss der Feuerwehr und dem Mitarbeiter am Sammelplatz vorliegen.

Welche Probleme stellen sich für die Heime?

Die Stadt Neuss betont in ihrem Leitfaden zum Räumungskonzept in Alten- und Pflegeheimen, dass die wichtigsten Rettungsmaßnahmen beim Eintreffen der Feuerwehr bereits abgeschlossen sein sollen - und zwar "zu jeder Tages- und Nachtzeit". Angesichts der Personalnot im Pflegebereich sind die Heime in den Nachtstunden aber in der Regel nur schwach besetzt. Weil für die Rettung einer Person aus einem Brandraum laut Leitfaden mindestens zwei Helfer notwendig sind, kann das Personal im Notfall schnell an seine Grenzen stoßen.

Über dieses Thema berichten wir am Montag in unseren Radio- und Fernsehformaten - zum Beispiel um 18.45 Uhr in der "Aktuellen Stunde" im WDR-Fernsehen.

Unsere Quellen

  • Richtlinie über bauaufsichtliche Anforderungen an den Bau und Betrieb von Einrichtungen mit Pflege- und Betreuungsleistungen des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr 
  • Handlungsempfehlung für Senioren- und Pflegeeinrichtungen sowie weitere Einrichtungen der Betreuung im Regierungsbezirk Münster bei Krisenfällen
  • Räumungskonzept für Alten- und Pflegeheime, Amt für Brandschutz der Stadt Neuss
  • Infos des Bundesverbands Technischer Brandschutz
  • Infos des TÜV zu Brandschutz in Altenheimen
  • Deutsche Presse-Agentur (dpa)
  • Evangelischer Pressedienst (epd)