In mehreren Landesteilen Chinas ist es zu Protesten gegen die strengen Corona-Maßnahmen gekommen. In Shanghai sind etwas mehr als 1.000 junge Menschen in der Nacht zu Sonntag auf die Straße gezogen. Auch in der Hauptstadt Peking durchbrachen die Bewohner in mehreren Bereichen Zäune ihrer Wohnanlagen und forderten ein Ende der Lockdowns.
Wie in Online-Videos zu hören war, riefen die Demonstranten auch: "Nieder mit der kommunistischen Partei! Nieder mit Xi Jinping!".
Warum sind die Demonstrationen in China außergewöhnlich?
Allein dass Hunderte Menschen in verschiedenen Städten zu Protesten zusammenkommen, sei bemerkenswert, sagt ARD-Korrespondentin Eva Lamby-Schmitt. Ebenso außergewöhnlich seien offene kritische Äußerungen gegen den Staats- und Parteichef und die Kommunistische Partei. "Viele Menschen trauen sich nicht einmal, den Namen von Xi Jinping zu sagen."
Denn in China gibt es keine Meinungs- und Pressefreiheit. Die Versammlungsfreiheit ist stark eingeschränkt. "Gesetzesverstöße können empfindliche Strafen nach sich ziehen", erklärt Christian Göbel, Professor für Chinakunde. So könne auf die Organisation eines Protests eine jahrelange Gefängnisstrafe folgen. "Kaum ein Protest richtet sich gegen das Machtmonopol der Kommunistischen Partei", sagt Göbel, der unter anderem an der Uni Duisburg-Essen lehrte. Denn: Systemgegner erwarten drakonische Strafen.
Das engmaschige Überwachungssystem der Regierung erlaubt zudem, Proteste im Keim zu ersticken. Die Demonstrationen werden durch Überwachungskameras dokumentiert. "Es ist davon auszugehen, dass auch gesichtserkennende Software zum Einsatz kommt", so der Sinologie-Professor. "Mehrere Studien kommen zu der Erkenntnis, dass die Repressionswahrscheinlichkeit in der Ära Xi Jinping zugenommen hat".
Warum gehen die Menschen gerade jetzt auf die Straße?
Auslöser der Demonstrationen war ein Wohnungsbrand in der nordwestchinesischen Stadt Ürümqi vom Donnerstagabend, bei dem mindestens zehn Menschen getötet und weitere neun verletzt wurden.
Etliche Anwohner kritisierten in sozialen Netzwerken, dass die rigiden Corona-Maßnahmen den Kampf gegen das Feuer erschwert hätten. Bewohnern sei die Flucht ins Freie durch abgeschlossene Wohnungstüren erschwert worden. Die Menschen machten auch die corona-bedingten Straßensperrungen dafür verantwortlich, dass die Feuerwehr bei den Rettungsarbeiten behindert worden sei.
Welche Corona-Strategie verfolgt China denn genau?
China ist die letzte große Volkswirtschaft, die eine sehr strenge Null-Covid-Politik verfolgt. Selbst kleine Corona-Ausbrüche können zu Lockdowns bis hin zur Abriegelung ganzer Städte und zu Betriebsschließungen führen, was die Wirtschaft und den Alltag der Menschen massiv belastet.
Schon bei einzelnen Fällen werden Wohnviertel abgeriegelt. Kontaktpersonen kommen in Quarantänelager. Infizierte werden im Krankenhaus isoliert. Auch nach fast drei Jahren Pandemie sind Chinas internationale Grenzen weitestgehend geschlossen.
Xi Jinping habe sich für die Null-Covid-Strategie stark gemacht, sagte Sinologin Susanne Baumann im WDR. Damit habe man sich in eine "Zwickmühle" begeben. Denn durch die ansteckendere Omikron-Variante würde es schwieriger, diese umzusetzen. Die Menschen in China würden indes sehen, dass das Leben andernorts weitergehe.