Studie zum Thema Cybermobbing: Jedes 6. Kind betroffen
WDR aktuell. 27.03.2024. 11:29 Min.. Verfügbar bis 27.03.2026. WDR. Von Cengiz Ünal.
Immer mehr Kinder und Jugendliche Opfer von Cybermobbing
Stand: 27.03.2024, 12:13 Uhr
Etwa jedes sechste Schulkind im Alter von elf bis 15 Jahren ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2022 in Onlinediensten gemobbt worden.
Dies bedeutet einen Anstieg um drei Punkte innerhalb von vier Jahren, wie aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie hervorgeht. "Dieser Bericht ist ein Alarmsignal, das uns nötigt, gegen Gewalt vorzugehen, wann und wo sie entsteht", sagte Hans Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa.
Der Anteil körperlicher Übergriffe hat sich mit elf Prozent kaum verändert, er lag vier Jahre zuvor bei zehn Prozent. Die virtuellen Formen der Gewalt unter Gleichaltrigen nahmen demnach jedoch seit Beginn der Corona-Pandemie stark zu. Dazu gehören etwa Beleidigungen, die Verbreitung von bloßstellenden Fotos und Videos oder das Anlegen von Fake-Profilen, die vermeintlich von den Betroffenen selbst stammen.
Rund 16 Prozent wurden online belästigt
"Da junge Menschen bis zu sechs Stunden am Tag online verbringen, können selbst kleine Veränderungen der Mobbing-Raten tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden Tausender Menschen haben", so Kluge. Laut der neuen Studie gaben 15 Prozent der Jungen und 16 Prozent der Mädchen an, in den vergangenen Monaten mindestens einmal online belästigt worden zu sein.
"Wenn aus dem Mobbing Cybermobbing wird, dann ist es anonym und kann viel schneller Verbreitung finden", hatte Kirsten Reinhardt, Lehrerin am Ratsgymnasium in Münster, dem WDR im Dezember gesagt: "Es verfolgt einen: Es ist dann nicht mehr nur in der Schule, sondern auch zuhause." Oft entwickle sich (Cyber-)Mobbing aus kleineren Streitigkeiten, die im Netz ausgetragen werden.
Nicht zu viel über sich im Internet verraten
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend rät Kinder und Jugendlichen, im Internet nicht zu viel über sich zu verraten - z.B. sollte der Wohnort und die Handynummer nicht einsehbar sein. Eltern und Betroffene sollen Fälle von Cybermobbing dokumentieren, sich an Plattform-Betreiber wenden oder das Gespräch mit Tätern suchen - denn trotz Internet-Anonymität seien die Täter oft bekannt.
Die EU-Initiative "klicksafe" rät Betroffenen: Erst einmal ruhig bleiben und sich Rat holen - bei Eltern, Lehrern oder auch bei Beratungs-Hotlines. Neben der Dokumentation der Angriffe seien auch das Melden oder Blockieren von Personen bei Plattform-Betreibern sinnvoll. Man sollte das Mobbing nicht einfach hinnehmen, sondern sich verteidigen.
Wohlstand der Eltern hat keinen Einfluss auf Mobbingverhalten
Einer von acht jungen Menschen (12,5 Prozent) räumte ein, selbst schon andere gemobbt zu haben. In fast allen Ländern waren elf Jahre alte Jungen und 13 Jahre alte Mädchen am stärksten betroffen. Der Wohlstand der Eltern hatte nach der Studie keinen oder kaum einen Einfluss.
Rund sechs Prozent der Jugendlichen mobbten in der Schule auf herkömmliche Weise - etwa auf dem Pausenhof. Dieses Verhalten sei bei Jungen mehr verbreitet als bei Mädchen.
Angstzustände, Kopf- und Bauchschmerzen sind die Folgen
"Es ist notwendig, der verschiedenen Formen von Gewalt unter Gleichaltrigen besser zu untersuchen", heißt es im WHO-Bericht. Junge Menschen aber auch Familien und Schulen müssten besser über Cybermobbing und dessen Auswirkungen aufgeklärt werden. Zudem sollten Onlinedienste besser reguliert werden, um die Gefährdung dieses Phänomen zu begrenzen.
Manche Mobbingopfer leiden der Studie zufolge unter Kopf- und Bauchschmerzen bis hin zu Angstzuständen und Depressionen. Die Folgen spüren viele Betroffene auch noch Jahre später.
280.000 Kinder und Jugendliche befragt
Die Studie basiert auf Aussagen von knapp 280.000 Kindern und Jugendlichen in 44 Ländern in Europa, Zentralasien und Kanada. Die höchsten Raten von Cybermobbing wurden bei Jungen in Bulgarien, Litauen, Polen und Moldau verzeichnet, die geringsten Anteile bei Jungen in Spanien.
Unsere Quellen:
- Weltgesundheitsorganisation (zum Bericht/Englisch)
- Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) Deutschland
- WDR-Gespräch mit Lehrerin Kirsten Reinhardt im Dezember (zum Beitrag)