Wen stellen Sie sich vor, wenn es um Reparaturen an der Hauselektrik, der Gasheizung oder ihrem Auto geht? Häufig dürften es Männer sein - und dieses Stereotyp entspricht in vielen Branchen auch 2023 der Realität. Das gilt erst recht, wenn es um die Chefetage der Handwerksbetriebe geht.
Statistiken zeigen, dass Frauen an der Spitze in vielen Berufen eine Seltenheit sind. Nur etwa jeder fünfte handwerkliche Betrieb in Nordrhein-Westfalen wurde zum Jahresende 2022 von einer Inhaberin oder Co-Inhaberin geführt.
Dass ihr Anteil überhaupt knapp ein Fünftel erreicht, liegt an historisch von Frauen geprägten oder sogar dominierten Berufen zu tun, wie zum Beispiel Kosmetikerin, Friseurin, Reinigungskraft, Konditorin oder Goldschmiedin.
Auch wenn gesellschaftlich viele geschlechterspezifische Stereotype gerade aufzubrechen scheinen, ist dieser Wandel im Handwerk noch nicht richtig angekommen. Mitarbeiter in typischen "Männerberufen" hören meist auch auf einen männlichen Chef. Das sieht man auch beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) als Problem.
"Manche Klischees halten sich sehr hartnäckig: Handwerk sei schmutzig, körperlich schwer und Männersache", sagt eine Sprecherin des ZDH auf WDR-Anfrage. "Durch neue Technologien haben sich viele Berufe aber stark gewandelt, die angeblich nötige 'Muskelkraft' spielt nicht mehr die entscheidende Rolle."
Ein leichter Anstieg des Frauenanteils auf der Führungsebene ist seit 2016 im Bau- und Ausbaugewerbe sowie der Lebensmittelbranche zu sehen. Stärkeres Wachstum gab es in den Branchen Glas, Papier und Keramik. Darunter zählen beispielsweise auch Mediengestalterinnen, denn die meisten Papier- und Druckerzeugnisse sind mittlerweile digitalisiert.
Der Fachkräftemangel erhöht jedoch den Druck auf männerdominierte Branchen, Frauen für sich zu begeistern. Denn trotz geringen Wirtschaftswachstums stapeln sich bei vielen Betrieben unbearbeitete Aufträge. Das sorgt nicht nur für Wartezeiten bei Privatkunden, sondern verzögert auch viele öffentliche Projekte in Nordrhein-Westfalen, wie eine WDR-Reportage zeigt.
Der ZDH erklärt, man sei Teil zahlreicher Initiativen, welche die Chancen von Frauen im Handwerk verbessern sollen. Über eine eigene Kampagne mit jungen Botschafterinnen wolle man vermeintliche Männerberufe für Frauen attraktiv machen. Zudem ruhen Hoffnungen auf Influencerinnen, die aus ihrem Arbeitsalltag berichten.
"Frauen im Handwerk müssen sichtbarer und stärker gefördert werden, um Klischees ab- und Vorbilder aufzubauen. Wir brauchen mehr Frauen, die sich selbstständig machen: Deshalb müssen die Rahmenbedingungen so verbessert werden, dass sich Beruf und Familie vereinbaren lassen", sagt die Sprecherin des Handwerksverbands.
Positive Entwicklungen seien die Verdoppelung der Anzahl der weiblichen Auszubildenden in der Baubranche seit 2015 oder die Neugründungen von Handwerksbetrieben über alle Branchen hinweg. Unter diesen lag der Frauenanteil 2022 nämlich bei 27 Prozent - das sind fünf Prozentpunkte mehr als noch 2016.
Quelle: Zentralverband des deutschen Handwerks