Rechtsextreme von Demos unbeirrt Aktuelle Stunde 20.01.2024 UT Verfügbar bis 20.01.2026 WDR Von Birgit Grigo

Demos gegen Rechtsextreme: "Das Problem lässt sich nicht mehr ignorieren"

Stand: 20.01.2024, 20:06 Uhr

Nach den Berichten über das AfD-Treffen mit Rechtsextremisten und deren Ideen, wie man unerwünschte Personen massenhaft abschieben könnte, gehen immer mehr Menschen auf die Straße. Aber bringen diese Proteste überhaupt etwas?

Die Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Treffen der AfD mit Vertretern der Neuen Rechten hat Proteste und Kundgebungen in ganz Deutschland ausgelöst. Auch für dieses Wochenende sind in zahlreichen NRW-Städten Aktionen geplant. Doch bringt es überhaupt etwas, gegen Rechtsextremismus auf die Straße zu gehen? Auf jeden Fall, sagt die Historikerin Anke Hoffstadt.

Sie arbeitet im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften an der Hochschule Düsseldorf und beschäftigt sich unter anderem mit rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und der extremen Rechten im 20. Jahrhundert.

WDR: Frau Hoffstadt, was bringt es, wenn jetzt Tausende Menschen auf die Straße gehen und gegen Rechtsextremismus demonstrieren?

Anke Hoffstadt: Ich denke, sehr viel. In diesem Zusammenhang fällt mir der Sozialphilosoph Oskar Negt ein, der sagt: "Demokratie ist die einzige politisch verfasste Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss - immer wieder, tagtäglich."

Die Demos, die wir aktuell in vielen Städten sehen, sind ja nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern auch für Demokratie. Und sie zeigen, dass viele Menschen diese nicht nur bejahen, sondern auch, dass sie bereit sind, dafür auf die Straße zu gehen und im Notfall auch zu verteidigen. Damit senden die Teilnehmenden ein klares Zeichen an rechte Gruppierungen und Parteien. Nämlich, dass sie deren Haltung nicht tolerieren.

Und obendrein kann man die Proteste auch so werten, dass sich die Masse an die Seite der von Rassismus betroffenen stellt und den vulnerablen Gruppen den Rücken stärkt.

WDR: Das leuchtet ein. Aber können diese Demos auch mehr bewirken, als ein Zeichen zu setzen? Bei den Klimademos gingen teilweise viel mehr Menschen auf die Straße, in der Politik änderte sich gefühlt aber nichts.

Hoffstadt: Einmal denke ich nicht, dass sich durch die Klimademos nichts änderte. Andererseits lassen sich die beiden Themen nur schwer vergleichen. Der Kampf gegen die Klimakrise ist auch mit Sachzwängen verbunden. Das heißt, wenn man will, dass die Politik etwas gegen den Klimawandel tut, kann man dadurch Nachteile haben, wie höhere Sprit- oder Strompreise, steigende Kosten für bestimmte Lebensmittel oder auch gefährdete Arbeitsplätze, beispielsweise durch den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung.

Wer aber für die Demokratie und gegen verfassungsfeindliche Haltungen protestiert, muss zumindest solche Nachteile nicht fürchten. Nicht extrem rechts zu sein, bringt keine Nachteile. Man braucht dennoch Mut dafür, sich klar zu positionieren. Damit kann dann aber Druck aufgebaut werden.

WDR: Auf die AfD...?

Hoffstadt: Genau. Denn diese ist dafür - zumindest in Teilen - auch anfällig. Das sieht man zum Beispiel daran, dass sich die Parteichefin der AfD, Alice Weidel, von ihrem Referenten getrennt hat, der an dem Treffen in Potsdam teilgenommen hat.

Dazu kommt, dass es ja seit dem Bekanntwerden des Treffens eine Diskussion über ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD gibt. Die Proteste können diese Überlegungen tragen und dafür sorgen, dass sie nicht versiegen.

WDR: Aber bieten die Proteste und auch die Überlegungen zu einem möglichen Verbotsverfahren gerade der AfD nicht auch die Möglichkeit, sich als Opfer darzustellen?

Hoffstadt: Ja, das macht die Demos und auch das Verbotsverfahren zu einem zweischneidigen Schwert. Auch, dass es sicher Teile in der AfD und in rechtsextremen Gruppen gibt, die dann sagen: "Jetzt erst recht!" Gerade Rechte mögen das Bild, dass sie für ihre Sache in den Widerstand gehen müssten.

WDR: Wäre es dann nicht besser, ihnen nicht indirekt eine Bühne zu bieten? Also auch nicht mit riesigen Demos dafür zu sorgen, dass die extreme Rechte weiter im Gespräch bleibt?

Hoffstadt: Durch Verschweigen und Ignorieren können wir dieses Problem nicht mehr lösen. Über diesen Punkt sind wir leider hinweg. Wichtig ist es jetzt, klar zu benennen, was diese Menschen planen. Zu erklären, welche Strukturen diese Organisationen haben und vor allem, welche Narrative, Wordings und Begriffe sie nutzen. Und vor allem sollten wir aufpassen, diese nicht zu übernehmen und uns klar von ihnen abgrenzen.

Das Interview führte Jörn Kießler.

Demos gegen rechts "kann AfD nicht mit Schweigen aussitzen" WDR 5 Morgenecho - Interview 22.01.2024 08:38 Min. Verfügbar bis 21.01.2025 WDR 5

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