Immer weiter steigt die Opferzahl im Erdbebengebiet an der türkisch-syrischen Grenze - und nach wie vor werden unzählige Menschen unter den Trümmern vermutet. Das menschliche Leid lässt wohl niemanden kalt. Doch für Menschen in NRW, die sich um Freunde und Verwandte im Krisengebiet sorgen, ist die Situation einfach nur unerträglich. Nach und nach erfahren sie durch die Medien oder die Sozialen Netzwerke, welche Zerstörungen die Beben in ihren Städten und Dörfern angerichtet haben. Und wollen unbedingt helfen.
Sollten sie selbst ins Krisengebiet reisen und bei den Bergungsarbeiten helfen? Oder einen privaten Transport mit Hilfsgütern organisieren? Und kann man betroffene Freunde und Verwandte nach Deutschland holen? Fragen und Antworten.
Der achtjährige Yigit Cakmak ist wieder mit seiner Mutter vereint. Rettungskräfte im türkischen Hatay hatten den Jungen zuvor aus den Trümmern gerettet - nach 52 Stunden.
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Ist eine Reise in die Erdbebengebiete sinnvoll?
Für Katharina Kiecol von der Hilfsorganisation Malteser International gibt es darauf nur eine Antwort: "Wir raten davon ab!" Die Situation vor Ort sei aktuell noch brandgefährlich. "Es gibt immer wieder Nachbeben", betont Kiecol, die derzeit mit einem professionellen Team aus Katastrophenhelfern auf dem Weg in die Türkei ist. Derzeit bestehe fast überall Gefahr für Leib und Leben.
Bei den Räumungsarbeiten müssten oft riesige Betonplatten bewegt werden, so Kiecol. "Da reicht es nicht, einfach anzupacken. Dazu braucht man schweres Gerät." Ohne spezielles Training seien Laien für diese Arbeiten einfach nicht geeignet. Im schlimmsten Fall könnten freiwillige Helfer sogar sich und andere in Gefahr bringen.
Sie verstehe sehr gut, wenn Betroffene sich unbedingt selbst auf den Weg machen wollen. Aber: "Wir nehmen überhaupt keine unausgebildeten Menschen mit. Wir können die Verantwortung nicht übernehmen."
Zusätzlich könnte selbst die Reise ins Krisengebiet zum Problem werden. Mehrere Flughäfen im Südosten der Türkei mussten wegen Schäden den Betrieb einstellen. Der größere Flughafen Adana ist zwar inzwischen wieder für den zivilen Verkehr geöffnet. Allerdings könnte auch die Weiterreise angesichts der teilweise schweren Schäden an Straßen und sonstiger Infrastruktur sehr schwierig werden - und nicht ganz ungefährlich.
Was ist mit privaten Hilfstransporten?
Auch in NRW starten heute und in den kommenden Tagen zahlreiche Transporte mit Sachspenden ins Krisengebiet. Teilweise haben Moscheegemeinden Sammlungen organisiert, in einigen Fällen ging die Initiative auch von Privatleuten aus. Wichtig ist vor allem, dass die Organisatoren solcher Transporte sich vorher mit den örtlichen Helfern absprechen. Was genau wird gebraucht? Und wann und wo sollte die Übergabe stattfinden? Wenn diese Fragen nicht abgeklärt werden, ist keine zielgenaue Hilfe möglich.
Benötigt werden laut diversen Hilfsorganisationen aktuell vor allem:
- Verbandszeug
- rezeptfreie Medikamente
- Windeln und Hygieneartikel für Frauen
- Babynahrung und haltbare Lebensmittel
- Isomatten und Schlafsäcke
- Decken und Winterkleidung
In der aktuellen, kritischen Lage empfehlen die professionellen Helfer allerdings eher Geld- statt Sachspenden. Es komme derzeit vor allem auf schnelle Hilfe an, heißt es zur Begründung. Es sei in der Regel einfacher, die benötigten Hilfsgüter vor Ort zu kaufen und zielgenau an die Bedürftigen zu verteilen. Sachspenden müssten oft noch über weite Strecken zu den Empfängern transportiert werden - wenn sie endlich ankommen, könne es schon zu spät sein.
Wer noch keine bevorzugte Hilfsorganisation für seine Spende gefunden hat, für den könnte "Der Westen hilft" eine gute Option sein. Dort haben sich Dutzende namhafte Hilfsorganisationen zusammengeschlossen, um ihre Spendenaufrufe zu koordinieren.
Kann man betroffene Freunde und Verwandte nach Deutschland holen?
Das ist nicht unmöglich, aber im Einzelfall wohl sehr schwierig. "Grundsätzlich ist die Einreise für türkische und syrische Staatsangehörige nur mit Visum möglich", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts dem WDR am Dienstag. Eine Sonderregelung für Erdbebenopfer gebe es aktuell noch nicht - diese müsste von der Bundesregierung beschlossen werden. Angesichts der chaotischen Situation in den Erdbebengebieten sei ein geregeltes Verfahren zur Visavergabe derzeit kaum möglich. Auf Nachfrage hieß es aus dem Ministerium, die Visastellen sollten "die schwierige humanitäre Situation vor Ort berücksichtigen".
Nach dem großen Erdbeben im Jahr 1999 in der Türkei hatte die Bundesregierung unter bestimmten Bedingungen "Ausnahmevisa" für Betroffene angeboten, mit denen sie unbürokratisch für einen begrenzten Zeitraum nach Deutschland einreisen konnten. Ob es erneut ein ähnliches Angebot geben könnte, ist unklar.