Zivilcourage in Essen - alles richtig gemacht? | Aktuelle Stunde

Aktuelle Stunde 29.09.2024 36:29 Min. Verfügbar bis 29.09.2026 WDR Von Sebastian Galle

Anwohner helfen bei Bränden in Essen: Wie zeigt man Zivilcourage?

Stand: 29.09.2024, 19:46 Uhr

Brandstiftung und Bedrohung - in Essen wurden 31 Menschen verletzt. Die Anwohner zeigten Zivilcourage. Wie verhält man sich richtig in so einer Situation?

Von Catharina Coblenz

Am Samstagabend wurden in Essen bei einem Brand in zwei Wohnhäusern 31 Personen verletzt. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Außerdem fuhr kurz danach ein Mann mit einem Lieferwagen in zwei nahegelegene Geschäfte und drohte mit einer Machete. Ein 41-jähriger Syrer wurde als Tatverdächtiger festgenommen.

Fälle von Zivilcourage in Essen

Dabei kam es gleich zu zwei Fällen von Zivilcourage, durch die vermutlich noch Schlimmeres verhindert werden konnte. Nachdem das Feuer in den beiden Häusern ausgebrochen war, war das Treppenhaus nicht mehr passierbar - die Menschen waren in den Gebäuden eingeschlossen.

 Anwohnerin Petra Stolarski berichtet von Brand

Anwohnerin Petra Stolarski berichtet von Brand

Aber noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr stellten Nachbarn Leiter an die Wände, kletterten selbst hoch und retteten drei Kinder. "Es war so, dass die Feuerwehr noch nicht vor Ort war, aber das erste Kind schon gerettet war von den Anwohnern", schilderte Nachbarin Petra Stolarski im WDR Fernsehen.

Männer stellten den Täter

Und das war nicht der einzige Fall von Zivilcourage in Essen. Nach der Brandstiftung fuhr der Tatverdächtige nach Polizeiangaben weiter und rammte mit einem weißen Lieferwagen mehrfach zwei Lebensmittelgeschäfte im Stadtteil Katernberg. Daraufhin stürmte der Täter nach Polizeiangaben mit zwei Stichwaffen in eines der Geschäfte - bei einer der Waffen handelte es sich um eine Machete.

 Anwohner Schehmus Mamadu berichtet von Brand

Schehmus Mamadu half, Menschen aus den Häusern zu retten

Verletzt wurde dort niemand, was wohl auch der Zivilcourage einiger Männer zu verdanken ist. Teils mit Schaufeln und Stangen in der Hand, hatten die Männer den mutmaßlichen Täter gestellt und in einem Hinterhof festgehalten, bis die Polizei eintraf.

"Es kann ja nicht sein - alle Leute sind am Gucken und keiner macht was." Schehmus Mamadu, freiwilliger Helfer bei den Bränden in Essen

Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) sagte dazu später: "Allen, die besonnen dabei unterstützt haben, den mutmaßlichen Täter zu stellen, danke ich für die Zivilcourage.

Die Männer, die den Tatverdächtigen gestellt haben, seien sehr mutig gewesen - sie hätten aber auch einiges riskiert, ordnet Oliver Huth, NRW-Vorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, ein: "Das, was dort zu sehen ist, ist sehr gefährlich."

Doch wozu raten Polizei und Co. konkret, wenn es um solche Situationen geht? Ein Überblick:

Wie kann ich Zivilcourage zeigen?

Wer in eine Situation gerät, in der es notwendig ist, Zivilcourage zu zeigen, sollte der Polizei und der Dominik Brunner Stiftung zufolge diese sechs Verhaltensregeln berücksichtigen:

  • Helfen! Aber sich selbst nicht in Gefahr bringen: Jeder kann helfen. Manchmal hilft es schon, sich zu Wort zu melden und beispielsweise laut zu sagen, dass man Hilfe organisiert, um den Täter einzuschüchtern und ihn von seiner Tat abzuhalten. Es ist jedoch auch wichtig, sich selbst nicht in Gefahr bringen. Daher sollte man den Täter nicht provozieren und sich eher an das Opfer wenden.
  • Andere Personen um Mithilfe bitten: Man sollte sich selbst verantwortlich fühlen und nicht darauf warten, dass andere reagieren. Dabei ist es wichtig, die umstehenden Menschen um Hilfe zu bitten und direkt anzusprechen. Denn: Einer direkten Ansprache kann man sich nur schwer entziehen. Auf diese Weise sorgt man dafür, dass eine starke Gemeinschaft entsteht. In öffentlichen Verkehrsmitteln etwa sollte man sich darüber hinaus auch an das Personal wenden.
  • Nicht wegschauen, sondern beobachten: Damit der Täter im Nachhinein zur Verantwortung gezogen werden kann, ist die Polizei auf die Beobachtungen von Zeugen angewiesen. Daher ist es wichtig, sich in einer solchen Situation den Täter und auch den Tathergang genau einzuprägen.
  • Notruf wählen: Jeder kann die Polizei rufen - unter dem kostenfreien Notruf 110. Wenn man kein Handy hat, oder ausgerechnet gerade der Akku leer ist, hat man die Möglichkeit andere zu bitten den Notruf zu wählen. Wenn man dann mit der Polizei verbunden ist, sollte man die Situation in Kürze schildern können. Hierbei helfen vier W-Fragen: Wo ist das Ereignis?, Wer ruft an?, Was ist geschehen?, Wie viele Betroffene? Anschließend sollte man nicht auflegen, sondern auf eventuelle Rückfragen warten. Im Ausland sollte man den Notruf 112 wenden – das ist die einheitliche europäische Notrufnummer.
  • Erste Hilfe leisten: Bei verletzten Personen sollte unverzüglich erste Hilfe geleistet werden. Das kann Leben retten. Auch hier gilt: Andere Personen um Unterstützung bitten. Bei verletzten Personen sollte der notärztliche Dienst unter der Notrufnummer 112 angerufen werden, wenn nicht bereits über die Polizei der Rettungsdienst alarmiert ist.

Wie sind ist die rechtliche Situation bei Zivilcourage?

Wer wegschaut, wenn andere Menschen Hilfe brauchen, kann sich laut Strafgesetzbuch wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen. Unterlassene Hilfeleistung kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden. Außerdem macht man sich auch strafbar, wenn man eine eine Person behindert, die dabei ist Hilfe zu leisten oder Hilfe leisten will.

Wer Hilfe leistet, ist dagegen nach dem Sozialgesetzbuch gesetzlich unfallversichert.

Wie sollte man bei einem Messerangriff reagieren?

Nach Polizeiangaben hatte der Tatverdächtige in Essen eine Machete dabei. Die freiwilligen Helfer konnten ihn dennoch festsetzen, bis die Polizei eingetroffen war. Damit haben sich die Helfer jedoch auch selbst in Gefahr gebracht.

Kampfkunstlehrer Tommy Luke Böhling sagt, dass Flucht im Falle eines Messerangriffs die beste Option ist. Auch die Polizei NRW rät, sich in einer solchen Situation so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone zu entfernen und den Notruf zu wählen. Auf keinen Fall sollte man die Konfrontation suchen.

Wie kann man sich auf auf solche Situationen vorbereiten?

Neben Büchern und zahlreichen Videos im Internet, kann man auch an einer Schulung zum Thema Zivilcourage teilnehmen. Im Internet gibt es verschiedene Stellen, die solche Schulungen anbieten, wie beispielsweise die Bundespolizei.

Außerdem empfiehlt es sich, von Zeit zu Zeit einen Erste Hilfe Kurs zu besuchen, um sein Wissen aufzufrischen. Das hilft, um im Notfall selbstbewusster und sicherer helfen zu können.

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