Umstrittene Chatkontrolle der EU: Was steckt dahinter?
02:18 Min.. Verfügbar bis 19.06.2026. Von Jörg Schieb, Jörg Schieb.
EU plant Chatkontrolle für Messenger: Das steckt dahinter
Stand: 19.06.2024, 16:54 Uhr
Politiker und Experten kritisieren ein geplantes Vorhaben der EU, das Messenger wie WhatsApp oder Signal betrifft - und das die Privatsphäre der Nutzer einschränken könnte. WDR-Digitalexperte Jörg Schieb erklärt, wie die geplanten Chatkontrollen funktionieren.
Von Jörg Schieb
Die Pläne der sogenannten Chatkontrolle sind äußerst umstritten. Viele Politiker in der EU und in den EU-Staaten, aber auch Experten und Bürgerrechtler warnen davor, die Pläne umzusetzen, da die Privatsphäre der Menschen bedroht sei. Die geplante Chatkontrolle würde praktisch alle Smartphone-Nutzer in der EU betreffen.
Nach monatelangem Streit in der EU liegt nun ein korrigierter Vorschlag aus Belgien vor, wie die Chatkontrolle aussehen könnte, um zum einen die gewünschten Ziele zu erreichen und andererseits Kritik zu berücksichtigen.
Worum geht es bei der geplanten Chatkontrolle?
Der Hauptgrund für die Einführung der geplanten Maßnahmen ist der Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und die Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornografie.
Die Idee dahinter ist, dass Nachrichtendienste wie WhatsApp, Signal, Telegram und andere künftig verpflichtet werden sollen, ihre verschlüsselten Kommunikationskanäle von sich aus aktiv nach verdächtigen Inhalten zu durchsuchen. Das soll helfen, die Verbreitung von Kinderpornografie und andere Formen des Missbrauchs einzudämmen.
Die EU-Kommission argumentiert, dass derzeitige Maßnahmen nicht ausreichend seien, um das enorme Problem in den Griff zu bekommen. Da viele der strafbaren Inhalte über verschlüsselte Kommunikationskanäle verbreitet werden, auch und vor allem über Messenger, sei es für Strafverfolgungsbehörden schwierig, diese aufzuspüren und zu verfolgen.
Was sind die technischen Aspekte?
Wer mit Chat-Anwendungen wie Whatsapp, Signal, Threema oder Telegram kommuniziert, kann sich bislang darauf verlassen: Niemand kann mitlesen. Die in modernen Chat-Apps verwendete Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verhindert das zuverlässig. Selbst Betreiber der Apps wissen nicht, was geschrieben und ausgetauscht wird.
Doch diesen Schutz nutzen auch Kriminelle aus.
Deswegen sollen alle Messenger-Anbieter künftig eine Risikobewertung ihrer Dienste durchführen und in Kategorien wie "hoch", "mittel" und "niedrig" einteilen. Es gilt als gesichert, dass Dienste, die eine anonyme und verschlüsselte Kommunikation erlauben, nach den Plänen als "hoch" riskant eingestuft werden. Dazu gehören alle gängigen Messenger wie WhatsApp, Signal, Threema oder Telegram.
Messenger-Dienste mit hohem Risiko sollen dann verpflichtet sein, die Inhalte ihrer Nutzer – noch vor der Verschlüsselung – auf den Geräten der Nutzer zu scannen und illegale Inhalte an Behörden zu melden.
Vorteil dieses Verfahrens: Die Verschlüsselung selbst wird nicht direkt geschwächt. Es hat schon Vorschläge gegeben, die Verschlüsselung auszuhebeln oder Messenger-Betreiber mit Strafverfolgungsbehörden kooperieren zu lassen. Diese Pläne wurden verworfen.
Wie soll die Chatkontrolle erfolgen?
Allerdings müssten die Inhalte vor der Verschlüsselung und vor dem Absenden auf möglicherweise illegale Inhalte überprüft werden - und das auf den Geräten selbst. Ein Verfahren, das sich Client-Side-Scanning nennt.
Dazu müssten entweder digitale Fingerabdrücke, sogenannte Hashcodes, bereits bekannter pornografischer Inhalte auf allen Geräten der Nutzer gespeichert sein; oder es müsste ein Abgleich mit Servern erfolgen, und das vor dem Absenden.
Kritiker argumentieren, das würde nicht nur die Privatsphäre schwächen, sondern stelle auch ein Sicherheitsrisiko dar. Denn es ist denkbar, dass Cyberbetrüger genau diesen Mechanismus ausnutzen, um Daten abzugreifen oder Smartphones zu Spionen umfunktionieren.
Kritik: Anlasslose Massenüberwachung
Außerdem drohe eine anlasslose Massenüberwachung, sagen Kritiker. Denn jeder einzelne User stehe jederzeit unter dem potenziellen Verdacht, kriminelle Inhalte zu verteilen – und zwar beim Absenden jeder einzelnen Nachricht, die Fotos oder Videos enthält.
Außerdem würde die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geschwächt oder sogar aufgehoben, da die Inhalte vor der Verschlüsselung vor dem Versand gescannt werden müssen.
Unsere Quellen:
- EU-Kommision
- heise.de
- Eigenrecherchen