Eine Grafik zeigt die Schuldenentwicklung in Deutschland

Staat macht Schulden: Wo kommen die Milliarden eigentlich her?

Stand: 19.03.2025, 14:55 Uhr

Nachdem das Finanzpaket beschlossen wurde, steht fest: Der Staat wird sich demnächst hunderte Milliarden Euro leihen. Aber von wem genau? Und wie läuft die Rückzahlung der Schulden?

Von Ingo NeumayerIngo Neumayer

Ein Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz in Höhe von 500 Milliarden Euro. Unbegrenzte Ausgaben für die Verteidigung und Sicherheit, sobald sie eine gewisse Höhe überschreiten. Und die Bundesländer dürfen zukünftig auch wieder neue Schulden machen: Das Finanzpaket, das am Dienstag im Bundestag beschlossen wurde, gilt jetzt schon als historisch.

Und als historisch teuer: Denn am Ende ist es gut möglich, dass dadurch Gesamtschulden in Höhe von einer Billion Euro entstehen. Ausgeschrieben ist das eine Eins mit zwölf Nullen: 1.000.000.000.000.

Welche Möglichkeiten hat der Staat, um an Geld zu kommen?

Erstmal durch Steuern - die würden aber nicht reichen. Zwar betrugen die Steuereinnahmen im Jahr 2023 laut Statistischem Bundesamt eine knappe Billion Euro, genauer gesagt 916 Milliarden. Doch diese Einnahmen sind schon längst im Haushalt verplant.

Das Geld muss also woanders herkommen. Die Möglichkeiten eines Staates sind in diesem Fall begrenzt: Wenn es nicht durch Steuereinnahmen geht, muss er sich das Geld leihen. Das passiert auf dem Finanzmarkt mit so genannten Staatsanleihen bzw. Bundeswertpapieren.

Wie kann sich der deutsche Staat konkret Geld leihen?

Geldscheine und Geldstücke liegen auf einem Haufen.

Der Staat braucht Geld - und zwar viel mehr als das hier

Im Grunde funktioniert das System wie ein ganz normaler Kredit: Der Staat leiht sich Geld und verpflichtet sich, den Betrag plus festgelegte Zinsen als Rendite innerhalb einer bestimmten Frist zurückzuzahlen. Es gibt Bundeswertpapiere mit Laufzeiten zwischen einem und 30 Jahren, am häufigsten werden derzeit 10-jährige Bundesanleihen ausgegeben. Als Geldgeber kommen Banken, Versicherungen und Rentenfonds in Frage, aber auch andere Staaten sowie Firmen und Investoren aus dem In- und Ausland. Auch Privatanleger können Staatsanleihen kaufen, meist geht das über die Hausbank.

Wie bei Verbraucherkrediten spielt auch bei Staatsanleihen der Zins eine entscheidende Rolle. Dieser hängt von der Bonität, also der Kreditwürdigkeit des Staates ab, der sich das Geld leiht. Je besser die Bonität eines Landes, desto niedriger der Zins. Die Kreditwürdigkeit berücksichtigt u.a. Wirtschaftskraft, Haushaltsführung und Schuldenstand eines Landes und wird in einem Ratingsystem bewertet. Ein AAA-Rating ist dabei die höchste Stufe und steht für "zuverlässiger und stabiler Schuldner".

Derzeit wird Deutschland von allen wichtigen Agenturen mit der Höchstnote AAA bewertet, und das schon seit vielen Jahren. Entsprechend sind die Zinsen eher niedrig. Wer heute eine deutsche Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren kauft, bekommt dafür 2,78 Prozent Zinsen. Zum Vergleich: Eine französische 10-Jahres-Anleihe bringt 3,46 Prozent Zinsen, eine US-amerikanische sogar 4,29 Prozent.

Wie können Verbraucher von der aktuellen Situation profitieren?

Deutsche Staatsanleihen gelten als sehr sicher. Das ist attraktiv für eher konservative Anleger, die davon ausgehen können, dass sie den Nennwert plus Zinsen zurückerhalten. Andererseits führt es aber auch zu meist niedrigeren Renditen im Vergleich mit anderen Finanzprodukten wie etwa erfolgreichen Unternehmensaktien. Das macht sie für risikoaffine Anleger, die auf kurzfristige und höhere Erträge setzen, eher uninteressant.

Allerdings sind die Renditen für deutsche Staatsanleihen zuletzt stark gestiegen, nachdem Union und SPD ihr gigantisches Schuldenpaket angekündigt haben. Am 6. März stieg die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen auf zeitweise 2,93 Prozent und verzeichnete somit den größten Sprung an einem Tag seit der Wiedervereinigung. Nachdem es zwischen 2019 und 2022 überhaupt keine Zinsen auf diese Bundesanleihen gab, steigen die Renditen seitdem wieder.

Man kann seine Staatsanleihen auch vor dem Ablaufdatum verkaufen. Alle Bundeswertpapiere mit Laufzeiten über einem Jahr werden an der Börse gehandelt, entsprechend schwanken die Kurse.

500 Milliarden und mehr: Kann sich Deutschland überhaupt so viel Geld leihen?

"Käufer für europäische, insbesondere deutsche Anleihen, gibt es immer", sagte Arthur Brunner, Anleihen-Experte der ICF Bank, zu tagesschau.de.  Commerzbank-Analyst Hauke Siemßen ist ebenfalls überzeugt, dass die Nachfrage auch bei diesen großen Summen ausreicht: Es gehe nicht darum, ob der Bund für die nötigen Staatsanleihen genug Investoren finden werde, sondern vielmehr, zu welchem Preis.

Finanzexperten gehen aufgrund der aktuellen Situation davon aus, dass es für deutsche Staatsanleihen in Zukunft höhere Renditen gibt. Das klingt logisch: Um diese große Menge an Geld aufzunehmen, muss die Bundesregierung attraktivere, also höher verzinste Angebote machen. Das wiederum würde die Nachfrage steigern.

Aktuell sind etwa 30 Prozent der Bundeswertpapiere im Besitz von Zentralbanken und öffentlichen Institutionen im Euroraum, 15 Prozent sind im Besitz von Zentralbanken und öffentlichen Institutionen aus Drittländern.  

Wie läuft die Rückzahlung, wer bezahlt die Schulden am Ende?

Viele Menschen denken beim Thema Schulden an Privatkredite, die irgendwann fällig sind. Auch Staatsanleihen müssen nach ein paar Jahren zurückgezahlt werden. Allerdings liegt hier der große Unterschied zu einem Privathaushalt: Schulden sind ein fest eingeplanter Teil des Staatshaushaltes. Deutschland kann immer wieder neue Schulden aufnehmen, so lange seine Bonität gesichert ist. Es ist also gut vorstellbar, dass Deutschland einfach neue Anleihen herausgibt, wenn es darum geht, die alten zu begleichen. Und zwar nicht nur kurz- und mittelfristig, sondern auch auf lange Sicht. Denn das Deutschland in absehbarer Zeit in den Staatsbankrott rutscht, ist eher unwahrscheinlich. Klar ist aber auch: Je mehr Schulden ein Staat zurückzahlen muss, desto weniger Spielraum hat er für andere Ausgaben wie etwa Rentenzuschüsse, Kindergeldzahlungen oder Beamtengehälter.

Klingbeil und Merz im Gespräch

Schwarz-rote Hoffnung: Wirtschaft wächst stärker als die Schulden

Wichtig ist in diesem Zusammenhang nicht die absolute Höhe der Schulden, sondern die Schuldenquote. Diese wird im Verhältnis der Schulden zur Wirtschaftskraft eines Landes (gemessen durch das Bruttoinlandsprodukt BIP) ausgedrückt. Wenn die Schulden steigen, das BIP im gleichen Zeitraum aber noch mehr steigt, ist das zunächst unproblematisch, da die Schuldenquote letztendlich sogar sinkt. Genau diesen Effekt erhoffen sich Union und SPD von dem beschlossenen Finanzpaket, dessen Investitionen in die Infrastruktur helfen sollen, die Wirtschaftskraft zu steigern. Und selbst wenn die Schuldenquote jetzt vorübergehend um ein paar Prozentpunkte steigen würde, sei das "kein Drama", sagte der Ökonom Jens Südekum der "Zeit". "Wenn es der Preis dafür ist, dass das Land modernisiert wird und wir unsere Freiheit verteidigen können, dann ist es das aus meiner Sicht diesen Preis allemal wert", so Südekum.

Derzeit hat Deutschland eine Schuldenquote von 62,7 Prozent. Damit liegt man zwar knapp über der von der EU im Rahmen der Maastricht-Kriterien vereinbarten Quote von 60 Prozent. Allerdings ist man damit immer noch sehr gut im Vergleich mit vielen anderen Ländern. Der Euroraum als gesamtes hat eine Schuldenquote von 89,5 Prozent, Großbritannien liegt bei 96,5 Prozent, die USA bei 127,4 Prozent und Japan sogar bei 250 Prozent.

Unsere Quellen:

  • Statistisches Bundesamt
  • Deutsche Finanzagentur
  • Bundesfinanzministerium
  • tagesschau.de
  • zeit.de

Über dieses Thema berichten wir am 19.03.2025 auch im Fernsehen - in der "Aktuellen Stunde" ab 18.45 Uhr

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