Illustration zeigt zwei Bratwürste - eine aus Erbsen, eine mit Fleisch

Was Sie über Fleischersatzprodukte wissen sollten

Stand: 24.06.2023, 06:00 Uhr

Burger, Bratwurst, Aufschnitt - kaum ein Fleischprodukt, dass es inzwischen nicht in einer fleischfreien Variante gibt. Was steckt da eigentlich drin, ist das gesund - und wirklich besser fürs Klima?

Von Mitja Harrer

Hunderte Rezepte findet man, wenn man bei der Plattform chefkoch.de nach vegetarischen Burgern sucht - vom maximal bodenständigen "Gemüseburger" (4,4 von 5 Sternen) bis hin zum exotischen "veganen Mango-Curryburger 'Sweet Indian Dream'" (3,3 von 5 Sternen). Die Auswahl ist riesig. 

Die Rezepte bestehen im Wesentlichen aus drei Schritten - Gemüse oder Hülsenfrüchte werden gekocht und zermatscht, der Brei gewürzt, zu Burgerpatties geformt und dann durchgegart.

Die Do-it-yourself-Veggie-Burger haben eins gemeinsam: Sie haben nichts mit Fleisch zu tun. Aussehen, Geruch, Konsistenz, Geschmack: Mit einem herkömmlichen Hackfleisch-Burger würde sie wohl niemand verwechseln. 

Ganz anders sieht das bei den nicht-hausgemachten Produkten aus. In fast jedem Supermarkt findet man inzwischen zahllose industriell hergestellte Fleischersatzprodukte, die sich mitunter kaum von ihren fleischhaltigen Vorbildern unterscheiden lassen. Wie geht das? Hier klären wir alle Fragen, die man sich rund um die Fleischersatzprodukte stellen kann:

  • Was ist eigentlich drin in Fleischersatzprodukten?
  • "Aber man braucht doch Proteine": Kann man sich mit Fleischersatzprodukten ausgewogen ernähren?
  • Hochverarbeitete Lebensmittel: Sind Fleischersatzprodukte ungesund?
  • Ist Fleischersatz wirklich besser fürs Klima als echtes Fleisch?
  • Warum kosten Fleischersatz-Produkte so viel - und werden sie irgendwann billiger?

Was ist eigentlich drin in Fleischersatzprodukten?

Die kurze Antwort: Hülsenfrüchte oder Gemüse werden zerkleinert, entfettet, dann mit Wasser und Ölen zu einer Masse verarbeitet und in Form gebracht.

Beim Wettkampf um die beste Fleisch-Imitation und um den feinsten Geschmack hat jeder Hersteller seine eigene Methode. Den einen Entstehungsprozess gibt es daher nicht - allerdings ist sich die Herstellung in vielen Fällen ähnlich.

Grundlage sind in der Regel Hülsenfrüchte wie Erbsen, Linsen und Soja oder Getreide wie Weizen. Durch ein mechanisches Verfahren wird diese Grundlage zerkleinert und entfettet. Mit Hilfe von Lösungsmitteln wird ein Proteinkonzentrat bzw. Isolat gewonnen. Es entsteht eine Masse, die an Brei erinnert. Wie bei der herkömmlichen Wurstherstellung auch werden dem Brei natürliche Färbemittel, Gewürze und teilweise Zwiebeln beigemischt.

So wird aus Hülsenfrüchten oder Getreide ein fleischfreies Burgerpatty.

Im nächsten Schritt wird das trockene Proteinkonzentrat mit Wasser und Ölen vermischt und mit verschiedenen maschinellen Verfahren in gewünschte Formen gepresst. Spezielle Maschinen erhitzen das Granulat, kühlen es und pressen es solange zurecht, bis der Brei eine faserige Struktur bekommt, die beispielsweise Hühnerfleisch ähnelt.

Wie viel Proteinanteil die Fleischersatzprodukte am Ende haben, ist unterschiedlich - das Umweltbundesamt gibt zum Beispiel an, dass ein Sojaprodukt am Ende zu etwa einem Fünftel aus Sojaprotein besteht. Der Hersteller Planted spricht davon, dass seine Produkte mit 19 bzw. 33 Prozent Erbsenproteinanteil einen "überdurchschnittlich guten Proteingehalt" hätten. Die Discounter-Variante "The Wonder Burger" wirbt beim veganen Burgerpatty damit, "reich an Proteinen" zu sein. Die Zutatenliste zeigt, dass neben anderem Zutaten 10 Prozent texturiertes Sojaproteinkonzentrat und 9 Prozent texturiertes Sojaproteinisolat enthalten sind.

"Aber man braucht doch Proteine": Kann man sich mit Fleischersatzprodukten ausgewogen ernähren?

Die kurze Antwort: Auch mit Fleischersatzprodukten kann man sich so ernähren, dass man alle wichtigen Nährstoffe zu sich nimmt. 

Den Proteinbedarf könne man auch bei einer rein vegetarischen Ernährungsweise "ohne Probleme sicherstellen", sagt Susanne Klaus, Leiterin der Abteilung Physiologie des Energiestoffwechsels am deutschen Institut für Ernährungsforschung. Und sie betont: "Das können wir genauso gut mit den Ersatzprodukten."

Fleisch enthält neben Protein noch weitere wichtige Nährstoffe, zum Beispiel Vitamin D, B2 und B12, Spurenelemente wie Calcium, Eisen, Jod, Zink und Selen oder - bei Meeresfischen - Omega-3-Fettsäuren. Diese Nährstoffe seien prinzipiell auch in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten, "auch in Fleischersatzprodukten", so Susanne Klaus. Einzige Ausnahme: Vitamin B12 müsse bei rein veganer Ernährung ergänzt werden. 

Das Schweineschnitzel einfach durch ein Sojaschnitzel ersetzen und so bei der gleichen Nährstoff-Zusammensetzung landen: Ob das funktioniert, hängt am Ende von den einzelnen Produkten ab. Susanne Klaus sagt aber: Fleischersatzprodukte sind nicht notwendig, um Fleisch zu ersetzen. Bei einer abwechslungsreichen vegetarischen Ernährung beziehungsweise einer veganer Ernährung mit Vitamin B12-Zugabe sollten eigentlich keine Mangelerscheinungen auftreten - ob Ersatzprodukte gegessen werden oder nicht.

Viel problematischer für die Ernährung ist ein zu hoher Fleischkonsum, wie er in Deutschland eher die Regel ist. Das könne zu vermehrt auftretenden Fällen sogenannter Volkskrankheiten wie zum Beispiel Diabetes oder durch Adipositas verursachte Krankheiten führen, sagt das Umweltbundesamt. 2022 verzehrte jede und jeder Deutsche laut Umweltbundesamt im Schnitt 52 Kilogramm Fleisch, während die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bei 15 bis 30 Kilogramm liegen. Allerdings ging die Zahl in den letzten Jahren zurück - 2017 waren es noch im Schnitt 60 Kilogramm Fleisch pro Kopf.

Hochverarbeitete Lebensmittel: Sind Fleischersatzprodukte ungesund?

Die kurze Antwort: Fleischersatzprodukte sind nicht per se ungesünder als Fleischprodukte. Zusatzstoffe sind je nach Produkt unterschiedlich enthalten, aber nicht zwangsläufig mehr als in gängigen Wurst- oder Fleischprodukten.

"Da steckt nicht mehr 'Chemie' drin als in einer Tütensuppe." Lebensmittelforscherin Susanne Klaus
Lebensmittelforscherin Susanne Klaus

Lebensmittelforscherin Susanne Klaus

Wer glaubt, dass vegetarische Fleischersatzprodukte mehr "Chemie" enthielten als entsprechende Fleischprodukte, der irrt, sagt Lebensmittelforscherin Susanne Klaus. Eine abgepackte, im Supermarkt gekaufte Salami enthalte auch jede Menge Zusatzstoffe. Außerdem gebe es in Deutschland strenge Richtlinien und Kontrollen zu verwendeten Zusatzstoffen. "Das, was wir hier in Deutschland auf den Markt bekommen, ist lebensmitteltechnisch unbedenklich."

Wer auf Nummer sicher gehen will, kann sich die Zutatenliste auf der Verpackung etwas genauer anschauen. "Eine Faustformel, die wir gerne an die Hand geben, ist, darauf zu schauen, dass die Zutatenliste insgesamt nicht so lang ist", erklärt Katrin Böttner von der Verbraucherzentrale NRW. "Das ist eigentlich ein Indikator für weniger hoch verarbeitete Produkte."

Die Richtlinien innerhalb der EU seien außerdem sehr streng. Zusatzstoffe, die nachweisbar gesundheitsschädlich sind, sind nicht zulässig. Das gilt auch für Angaben, die für Verbraucherinnen und Verbraucher irreführend sind.

Auch auf den Salz- und den Fettgehalt könne man achten, vor allem auf den Gehalt an gesättigten Fettsäuren. Katrin Böttcher dazu: "Da schneiden viele Ersatzprodukte erstmal deutlich besser ab als Fleisch, weil Fleisch nun mal ein Lieferant für gesättigte Fettsäuren ist." Zwar gebe es auch pflanzliche Fette mit gesättigten Fettsäuren, aber beispielsweise "Rapsöl ist immer gut, wenn das drin steckt." An erster Stelle stehe aber generell eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Wer sich sowieso gesund ernährt, dem schaden auch gelegentlich Produkte mit einer längeren Zutatenliste nicht.

Ist Fleischersatz wirklich besser fürs Klima als echtes Fleisch?

Die kurze Antwort: Ja.

Von allen Treibhausgasemissionen, die durch die menschliche Ernährung entstehen, stammen knapp 60 Prozent von tierischen Produkten - obwohl sie nicht einmal 20 Prozent des weltweiten Kalorienbedarfs decken. "Da ist ein Missverhältnis drin", sagt der Wirtschaftsethiker Nick Lin-Hi im WDR-Interview

Das liegt unter anderem daran, dass tierische Lebensmittel grundsätzlich einen Nachteil im Vergleich zu pflanzlichen Lebensmitteln haben: Einen Großteil der Kalorien, die zum Beispiel in einem Kuhmagen landen, braucht die Kuh für's Kuh sein. Nur einen deutlich geringeren Teil nutzt die Kuh, um Muskelmasse aufzubauen, aus der wir Menschen wiederum Steaks oder Burger herstellen.

Es ist also deutlich effizienter, beispielsweise Sojabohnen direkt für den menschlichen Verzehr aufzubereiten, als den Umweg über die Tiermast zu gehen. Um bei der Sojabohne zu bleiben: Von dem in Europa nachgefragten Soja werden momentan etwa 93 Prozent für Tierfutter eingesetzt.

Je nach Produkt und Tier variiert dieser Effizienzvorteil, aber ganz grundsätzlich gilt: Eine pflanzenbasierte Ernährung spart im Vergleich zu fleischhaltiger Ernährung Ressourcen und CO2 ein. Dieses Grundprinzip gilt auch für vegetarische und vegane Ersatzprodukte.

Allerdings ist der CO2-Ausstoß - wie auch bei Fleischprodukten - bei den fleischfreien Alternativen von verschiedenen Faktoren abhängig: Wie viele regionale Grundstoffe mit kurzen Transportwegen stecken drin? Stammen die Produkte aus Bio-Landwirtschaft? Nutzt die Fabrik erneuerbare Energie in der Produktion? 

Bei in Europa hergestellten Produkten ist es beispielsweise oft klimafreundlicher, Erbsen- statt Sojaprotein zu verwenden, weil die Transportwege deutlich kürzer sind. Aufgrund der komplexen Lieferketten und Produktionsbedingung ist es für Endverbraucher aber unmöglich, verschiedene Fleischersatzprodukte im Hinblick auf ihre Klimabilanz zu vergleichen. Entscheidend ist ohnehin: Im Vergleich zu echtem Fleisch haben die Ersatzprodukte quasi immer einen Klimavorteil.

Warum kosten Fleischersatz-Produkte so viel - und werden sie irgendwann billiger?

Die kurze Antwort: Auf Fleisch wird weniger Mehrwertsteuer fällig, außerdem sind im Bereich der Fleischersatzprodukte viele Startups unterwegs, die noch hohe Entwicklungs- und Produktionskosten haben.

WDR-Reporter Daniel Aßmann hat es ausprobiert. In einen Warenkorb packt er Fleischwurst, Joghurt und Co., in einen anderen die entsprechenden veganen und vegetarischen Alternativen. Rechnet man beide Körbe auf die gleiche Menge um, kostet der eine 92,40 Euro, der andere 148,27 Euro. Man kann sich denken, welcher Einkaufskorb viel teurer war (kleiner Tipp: nicht der mit Fleisch!).

So teuer sind Veggie-Produkte im Vergleich zu tierischen.

Aber wie kann das sein? Rein logisch müsste es doch in jedem Fall teurer sein, ein Tier mit vielen Pflanzen zu füttern, um eine vergleichbar geringere Menge Fleisch zu bekommen, als die Pflanzen direkt im veganen Schnitzel selbst zu essen.

Ein Grund ist, dass Fleisch nach wie vor subventioniert wird: Sieben Prozent Mehrwertsteuer werden beispielsweise beim Einkauf von Fleisch fällig, für Ersatzprodukte sind es dagegen 19 Prozent. Ob und wann die vegetarischen und veganen Alternativen günstiger als Fleisch werden, hängt ganz maßgeblich von politischen Entscheidungen ab. 

Dazu kommt, dass viele Hersteller von fleischfreien Ersatzprodukten schlicht noch nicht mit den Produktionskapazitäten der etablierten Fleischindustrie mithalten können, sagt Katrin Böttner von der Verbraucherzentrale NRW: Bei kleineren Produktionsmengen "müssen die Fixkosten auf eine weniger große Masse an Produkten verteilt werden. Das führt zu höheren Kosten." Auch die Kosten für die Weiterentwicklung der Herstellungsprozesse seien ein Faktor.

Noch ist der Markt für Ersatzprodukte vergleichsweise klein, noch müssen die Hersteller viel Geld in Forschung und Entwicklung stecken und - noch - sind vermutlich genug Menschen bereit, einen Aufpreis für neue Trendprodukte zu zahlen. Doch der Markt für Ersatzprodukte wächst, immer mehr Hersteller wollen an Fleischalternativen verdienen. Auf lange Sicht könnte das dazu führen, dass die Ersatzprodukte deutlich günstiger werden.

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