Korrespondent Markus Preiß aus Luzern zur Friedenskonferenz für die Ukraine
Aktuelle Stunde . 15.06.2024. 40:43 Min.. UT. Verfügbar bis 31.12.2024. WDR.
Ukraine-Friedenskonferenz: Warum Friedensbedingungen fast gar kein Thema sind
Stand: 16.06.2024, 12:05 Uhr
In der Schweiz findet eine Friedenskonferenz für die Ukraine statt. Russland ist nicht dabei – stellt aber aus der Ferne Bedingungen. Warum das keine Verhandlungsgrundlage ist und warum beim Schweizer Gipfel eher über nachrangige Themen gesprochen wird, erklärt Politologe Gerhard Mangott.
In der Schweiz machen sich seit gestern viele Staats- und Regierungschefs Gedanken darüber, wie der Friedensprozess im Ukraine-Krieg angeschoben werden könnte. Vertreter von 90 Staaten und Organisationen sind dabei. Russland wurde nicht eingeladen.
Putin hatte am Freitag aus der Ferne Bedingungen für Friedensgespräche mit der Ukraine formuliert: Unter anderem forderte er, dass die ukrainischen Truppen aus den östlichen Regionen des Landes abziehen sollen und die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen werden soll. Was soll der Friedensgipfel bringen? Einschätzungen von Politikwissenschaftler Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck.
WDR: Was steckt hinter dem Angebot Putins?
Politikwissenschaftler Gerhard Mangott
Gerhard Mangott: Putin hat jetzt eine Äußerung gemacht, dass er zu Verhandlungen bereit ist - allerdings zu Bedingungen, die für niemanden akzeptabel sind. Ziel Putins war es, die in der Schweiz versammelten Staat- und Regierungschefs zu spalten - zwischen denen, die sagen "Das ist kein Verhandlungsangebot, das ist ein Diktatfrieden", und jenen, die sagen "Nun sollten wir vielleicht doch mit Russland verhandeln".
WDR: Ist Russland überhaupt offen für Verhandlungen?
Mangott: Nein, weder Russland will verhandeln, noch die Ukraine möchte verhandeln. Beide Kriegsparteien setzen noch immer auf einen militärischen Erfolg. Sie glauben, diesen Krieg gewinnen zu können und dann die Bedingungen für eine Friedenslösung diktieren zu können. Die Ukraine möchte, dass Russland das gesamte Gebiet der Ukraine verlässt - inklusive der Krim.
Russland will Territorium der Ukraine für sich reklamieren, will einen Regierungswechsel in Kiew, einen Verzicht auf den NATO-Beitritt und verlangt eine Demilitarisierung - all das sind Forderungen, die natürlich niemals Grundlage für einen Verhandlungskompromiss werden können.
WDR: Wofür ist dann diese Konferenz gut?
Der noch leere Konferenztisch in der Schweiz
Mangott: Man sollte die Konferenz eigentlich "Unterstützungskonferenz für die Ukraine" nennen und nicht Friedenskonferenz." Es geht darum, zu dokumentieren, dass sehr viele Staaten dieser Welt hinter der Ukraine stehen. Man muss auch beachten, was die Agenda dieses Treffens ist. Man spricht eben nicht über die wirklich zentralen Friedensbedingungen – Territorium oder Entmilitarisierung oder Ähnliches –, sondern man spricht über zwar wichtige, aber nachrangige Themen wie Nahrungsmittelsicherheit, nukleare Sicherheit und humanitäre Angelegenheiten.
Hätte man wirklich über konkrete Friedensbedingungen eine Konferenz abgehalten, wären viel weniger Staaten gekommen und dann wäre das zentrale Ziel, Unterstützung für die Ukraine auszusprechen, nicht erreicht worden.
Das Interview wurde am 15.06.2024 im WDR5 Morgenecho geführt und wurde für die Online-Version eingekürzt.