Hamas inszeniert Freilassung israelischer Geiseln: Was sie damit bezweckt

Stand: 08.02.2025, 17:17 Uhr

Sichtlich abgemagert sind die drei Männer, die die Hamas am Samstag freigelassen hat. Mit einer Urkunde in Händen führt die Terrororganisation ihre Geiseln auf eine Bühne. Erst danach werden sie an das Rote Kreuz übergeben und nach Israel gebracht. Was bezweckt die Terrororganisation mit dieser Inszenierung?

Ohad Ben Ami (56), Or Levy (34) und Eli Scharabi (52) sind frei. Nach 491 Tagen in Gefangenschaft der Hamas dürfen sie zu ihren Familien nach Israel zurück. Doch zuvor werden sie von der Terrororganisation zur Schau gestellt. Ihre Freilassung vor hunderten Schaulustigen ist eine demütigende Inszenierung.

Alles wird mit Kameras festgehalten

Aufnahmen zeigen, wie die Männer von vermummten Hamas-Mitgliedern auf eine Bühne geführt werden. Israelischen Medien zufolge "bedanken" sie sich in dem inszenierten Auftritt für die "Fürsorge" während ihrer Gefangenschaft. Die Bilder gehen um die Welt – auch weil die Hamas dafür sorgt, dass alles bis ins kleinste Detail von eigenen Leuten mit Kameras aufgezeichnet wird.

Die drei Geiseln werden vor der Freilassung auf eine Bühne geführt. | Bildquelle: ddp/abaca press

Netanjahu kündigt Reaktion an

In Israel sorgen die Szenen und der augenscheinlich schlechte Zustand der drei freigelassenen Geiseln für Entsetzen. "So sieht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus", sagt Isarels Staatspräsident Izchak Herzog. Die drei Männer würden "ausgehungert, abgemagert und leidend" der Welt zur Schau gestellt. Die Inszenierung der Hamas bezeichnet Herzog als "zynisches und grausames Spektakel" für das die Männer ausgenutzt würden.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigt an, die "schockierenden Bilder" würden nicht unbeantwortet bleiben.

Kritik an Hamas auch aus Deutschland

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisiert die Inszenierung der Freilassung durch die Hamas scharf. Es sei "unerträglich, dass die Hamas die drei Männer auch im letzten Moment noch einmal öffentlich vorführt", sagt Baerbock dem Online-Dienst Bluesky.

Zugleich bezeichnet sie die Freilassung der drei Geiseln – darunter der Deutsch-Israeli Ohad Ben Ami – als "Grund zur Freude".

Hamas will Stärke demonstrieren

ARD-Korrespondent Jan-Christoph Kitzler | Bildquelle: ARD

Für die Terroristen der Hamas haben die inszenierten Freilassungen nach Einschätzung von Experten nur ein Ziel: Sie wollen zeigen, dass ihre Organisation längst nicht besiegt ist. "Die Hamas will damit signalisieren, dass sie immer noch die Kontrolle im Gazastreifen hat", erklärt Jan-Christoph Kitzler, ARD-Korrespondent in Israel.

Bei der Freilassung am Samstag wurden nicht nur die Geiseln vorgeführt. Die Hamas hat auch Bilder von Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gezeigt, zusammen mit den Worten "Totaler Sieg", den Netanjahu mit Blick auf die Terrororganisation versprochen hat.

Diese zynische Botschaft solle ausdrücken, "dass der Sieg für Israel in diesem Krieg noch weit weg ist", sagt Jan-Christoph Kitzler.

Geiseln halten "Entlassungspapiere" in den Händen

Während ihrer Freilassung halten die drei Männer Dokumente in ihren Händen. Es sind von der Hamas ausgestellte "Entlassungspapiere". Auch Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz müssen Dokumente der Hamas unterschreiben, bevor sie die Männer nach Israel bringen dürfen.

Auch damit will die Terrororganisation Stärke demonstrieren, wie Kitzler erklärt. "Es soll der Eindruck entstehen, dass die Hamas nicht nur noch militärische Stärke hat, sondern auch organisatorisch alles im Griff hat." Die Terroristen möchten ein funktionierendes Staatswesen vorgaukeln, in dem sie die Ordnung bestimmen.

"Aus israelischer Sicht sind Bilder, wie die heutigen aus dem Gazastreifen, für viele Menschen sehr schmerzhaft. Sie zeigen, dass nach über 16 Monaten heftigstem Krieg die ausgegebenen Ziele noch nicht erreicht sind." Jan-Christoph Kitzler, ARD-Korrespondent in Israel

Dauerhafte Waffenruhe im Gazastreifen ungewiss

Für ARD-Korrespondent Jan-Christoph Kitzler ist eine dauerhafte Waffenruhe im Gazastreifen auch deswegen ungewiss. Seiner Einschätzung nach werden die Waffen bis Anfang März schweigen, um die bereits verabredeten Geiselübergaben nicht zu gefährden.

Wie es danach weitergeht, ist offen. Auch weil sich US-Präsident Donald Trump "de facto für die ethnische Säuberung des Gazastreifens" ausgesprochen habe und innenpolitisch die israelische Regierung von Benjamin Netanjahu sehr wahrscheinlich nur zusammenbleibe, wenn der Krieg weitergeht.

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagenturen dpa, AP, AFP
  • ARD-Korrespondent Jan-Christoph Kitzler in Israel

Über dieses Thema berichtet der WDR am 08.02.2025 auch im Fernsehen, in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.