Millionen Flüchtlinge suchen Jahr für Jahr in der Europäischen Union Asyl – das bringt manche EU-Mitgliedsstaaten an ihre Belastungsgrenzen. Die EU-Kommission hat sich vor diesem Hintergrund am Donnerstag in Luxemburg auf eine Verschärfung der Asylregeln geeinigt. Noch hat die Reform das EU-Parlament nicht passiert - das soll aber noch in diesem Jahr geschehen. Was erwartet Geflüchtete künftig, wenn sie in einem EU-Land um Asyl bitten? Das sind die Details des Asyl-Kompromisses.
Was ist die wichtigste Neuerung?
Die Reform setzt auf schnellere Asylverfahren, speziell an der EU-Außengrenze. Geflüchtete aus bestimmten Herkunftsländern, deren Asylanträge erfahrungsgemäß wenig Aussicht auf Erfolg haben, sollen in speziellen Asylzentren an der Grenze untergebracht werden: Ihre Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt. Innerhalb von zwölf Wochen soll über ihren Asylantrag entschieden werden. Wird der Antrag abgelehnt, sollen die Geflüchteten direkt abgeschoben werden können. Falls eine Rückführung in ihr Herkunftsland nicht gelingt, soll auch die Abschiebung in ein "sicheres Drittland" möglich sein, das sie bei ihrer Flucht nach Europa durchquert haben.
Die neuen strengeren Regeln gelten aber nicht für alle Geflüchteten: Betroffen sind zum Beispiel Menschen aus der Türkei, Indien, Tunesien, Serbien oder Albanien. Für Menschen aus diesen Herkunftsländern liegen die Anerkennungsquoten durchschnittlich unter 20 Prozent. Für Asylsuchende aus Kriegsgebieten wie Syrien, Afghanistan oder dem Sudan bleibt vorerst alles beim Alten.
Gibt es noch offene Fragen?
Natürlich. So hatte sich die Bundesregierung dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern nicht in den Asylzentren an der Grenze interniert werden dürfen - egal, wo sie herkommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) konnte sich damit allerdings nicht durchsetzen: Dem Vernehmen nach gibt es die Befürchtung, dass Schleuser ansonsten gezielt Familien mit Kindern für die gefährliche Reise übers Mittelmeer anwerben könnten.
Werden Geflüchtete künftig gerechter in der EU verteilt?
Auch diese Frage war Thema beim Treffen der EU-Innenminister. Polen und Ungarn weigern sich seit Jahren, Asylsuchende aus anderen EU-Staaten aufzunehmen und fordern stattdessen eine komplette Schließung der EU-Außengrenzen für Geflüchtete. Jetzt soll die Verweigerungshaltung Konsequenzen haben: EU-Staaten sollen künftig ein Zwangsgeld von 20.000 Euro für jeden Migranten zahlen, den sie nicht aufnehmen wollen, obwohl sie dazu verpflichtet wären. Das Geld soll in einen Fonds fließen, aus dem Migrationsprojekte finanziert werden. Sowohl Polen als auch Ungarn haben Widerstand gegen die Regel angekündigt.
Welche Reaktionen gibt es?
Gegen das Vorhaben, Asylverfahren bereits an den EU-Außengrenzen ausführen zu können, hagelt es massive Kritik von Menschenrechtsgruppen. Sie sehen darin eine Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl. Aber auch an der rot-grünen Parteibasis rumort es. Rund 730 Grünen-Parteimitglieder beklagen in einem offenen Brief einen Kurs der "Abschreckung und Abschottung“. In der SPD haben 22 von 206 sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten sich in einer Stellungnahme klar gegen die Reform positioniert.
Die FDP als weitere Regierungspartei hingegen hatte im Vorfeld Druck gemacht. Mehr Kontrolle und mehr Steuerung bei der Migration seien zwingend erforderlich, um die angespannte Lage in Europa aufzulösen.
Wie geht es weiter?
Nach der Einigung werden die EU-Staaten nun mit dem EU-Parlament über das Projekt verhandeln. Das Parlament hat ein Mitspracherecht, es ist auch denkbar, dass es noch Änderungen durchsetzt. Die Verhandlungen sollen im Idealfall noch vor Ende des Jahres abgeschlossen werden. Dann könnten die Gesetze noch vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden. Sollte dies nicht gelingen, könnten veränderte politische Kräfteverhältnisse Neuverhandlungen nötig machen.