Techniken gegen Gewalt an Schulen Aktuelle Stunde 29.08.2023 12:31 Min. UT Verfügbar bis 29.08.2025 WDR Von Claudia Beucker

Messerangriff vor einer Schule: Nimmt Gewalt unter Jugendlichen zu?

Stand: 29.08.2023, 19:00 Uhr

Nach dem Messerangriff eines 13-Jährigen auf einen zwölf Jahre alten Mitschüler im westfälischen Harsewinkel machen sich viele Eltern Sorgen: Sind die Schulen noch sicher?

Von Claudia Beucker

Es ist ein Fall von Jugendgewalt, der auch tödlich hätte enden können: Am Mittwoch hatte ein 13-Jähriger in Harsewinkel bei Bielefeld an einer Bushaltestelle auf einen zwölf Jahre alten Mitschüler eingestochen. Das Kind erlitt schwere Verletzungen im Bauchbereich, ist aber inzwischen wieder auf dem Weg der Besserung.

Juristisch kann der mutmaßliche Täter nicht belangt werden - er ist noch nicht strafmündig. Das Jugendamt wurde eingeschaltet.

Thomas Schröer | Bildquelle: WDR

Seine Schule sei seitdem im "Krisenmodus", sagte Schulleiter Thomas Schroer dem WDR am Dienstag. Natürlich komme es auch an seiner Gesamtschule manchmal zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, das sei an jeder Schule so. Aber einen Angriff mit potenziell tödlichem Ausgang - das sei sowohl für seine Lehrer als auch Schüler etwas völlig Neues und deshalb sehr verstörend.

Sind brutale Ausraster wie in Harsewinkel nur die Spitze des Eisbergs? Nimmt die Gewalt an Schulen zu? Ist mein Kind noch sicher? Die Verunsicherung unter Eltern ist verständlich. Doch eine zunehmende Verrohung der Jugend geht aus der Kriminalitätstatistik nicht eindeutig hervor. Tatsächlich kann man anhand der Zahlen nicht genau sagen, wie häufig Schüler und Schülerinnen Straftaten begehen - oder gewalttätig werden.

Kriminalstatistik wirft Fragen auf

Zwar wurden in NRW im Jahr 2022 rund 24.500 Straftaten gezählt, die entweder auf einem Schulgelände oder in der unmittelbaren Umgebung begangen wurden. Damit stieg die Zahl der registrierten Fälle am "Tatort Schule" im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 um rund 19 Prozent.

Bei näherer Betrachtung wird allerdings schnell klar, dass die Zahlen kein klarer Beleg für eine zunehmende Kriminalität unter Schülern und Schülerinnen sind. Denn darunter fallen zum Beispiel auch Einbrüche an Schulen, die von Erwachsenen begangen werden.

Ein ganz anderes Bild bietet die Statistik zu Fällen, die von der Polizei unter "Ereignis Schule" dokumentiert werden: Dabei handelt es sich ausschließlich um Straftaten, die in einem engen Verhältnis zu Schule und Unterricht stehen, aber nicht unbedingt dort auch stattfinden müssen.

Darunter fallen zum Beispiel Schlägereien zwischen Schülern auf dem Schulweg oder bei Klassenfahrten. Hier wurden nur 9.000 Fälle gezählt - im Jahr 2019 waren es noch fast 15.000.

Soziologe empfiehlt Schulen Transparenz

Stefan Piasecki | Bildquelle: WDR

Doch egal ob die Fallzahlen steigen oder sinken: Jede Gewalttat an Schulen ist eine zu viel. Für den Soziologen Stefan Piasecki, der unter anderem zu Gewalt an Schulen forscht, ist vor allem wichtig, dass an den Schulen nichts totgeschwiegen wird. "Meine Empfehlung wäre immer Offenheit und Transparenz." Denn in der Regel kündigten sich solche Taten im Vorfeld an, meint Piasecki.

Oft würden sie dadurch begünstigt, dass bereits vor dem Gewaltausbruch Probleme und Vorzeichen ignoriert wurden. Zum Beispiel, wenn ein späterer Täter bereits durch extrem aggressive verbale Attacken auf Mitschüler auffällig geworden ist. Wenn Schulpsychologen und -sozialarbeiter frühzeitig informiert würden, könnten sie gezielt auf den problematischen Schüler oder Schülerin zugehen und ihre Hilfe anbieten.

Metalldetektoren wie in den USA?

Metalldetektoren am Schultor, wie sie nach Angaben einer Elternvertreterin von einigen Eltern in Harsewinkel nun gefordert werden, böten keinen echten Schutz, meint Piasecki. Im Gegenteil: "Es kann sein, dass dann erst recht ein Wettkampf darum entbrennt, wer welche Art von Waffe trotzdem in die Schule reinbringt."

Andererseits seien solche Geräte auch ein starkes Zeichen. "Ich kann damit klarmachen, als Schule und Institution, dass ganz bestimmte Vorgänge nicht toleriert werden."

Messerattacke auf 13-Jährigen in Harsewinkel Lokalzeit OWL 24.08.2023 28:37 Min. Verfügbar bis 24.08.2024 WDR Von Brigitte Büscher

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