Volle Wartezimmer, kaum verfügbare Facharzt-Termine und zu wenige Hausärzte auf dem Land - die ambulante Gesundheitsversorgung könnte besser sein. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will mit einer Praxis-Reform Abhilfe schaffen - zum Beispiel mit Gesundheitskiosken.
Ein Gesetzentwurf der Praxis-Reform, der dem WDR vorliegt, wird nun innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Darin ist von zahlreichen Umstrukturierungen die Rede. Aber was haben Patientinnen und Patienten wirklich davon? Was sich für wen verbessern soll:
Chronisch Kranke: Arztbesuch nur noch einmal im Jahr?
Im Gesetzentwurf ist es nur ein Detail. Für viele chronisch Kranke könnte es aber große Folgen haben. Hausärztinnen und Hausärzte sollen eine "Versorgungspauschale" für die Behandlung chronisch Kranker erhalten, die ständig Medikamente bekommen.
Erhoffte Vorteile: Chroniker sollen nur noch mindestens einmal im Jahr in die Praxis kommen müssen. Und weil es dadurch weniger Praxisbesuche geben werde, bei denen Chroniker letztlich nur ein Rezept abholen, hätten Ärzte mehr Zeit für andere Behandlungen, geht aus dem Gesetzentwurf hervor.
Eugen Brysch zieht das in Zweifel. Er ist Vorstand der in Dortmund ansässigen Deutschen Stiftung Patientenschutz, die die Interessen von Schwerstkranken, Pflegebedürftigen und Sterbenden vertritt. Auf WDR-Anfrage erklärt er:
"Schließlich leiden diese Patienten an unterschiedlichsten Symptomen", so Brysch weiter. "Öfter im Jahr den ärztlichen Rat einzuholen, liegt somit auf der Hand. Diese Patientengruppe kommt nicht nur in die Praxis, um Rezepte abzuholen."
Jugendliche: Bessere psychotherapeutische Angebote?
Verbessert werden sollen laut Gesetzentwurf auch psychotherapeutische Angebote für Kinder und Jugendliche. Dazu soll für Planungen des Bedarfs eine neue eigene Arztgruppe gebildet werden. Dies ermögliche "eine zielgenauere Steuerung der Niederlassungsmöglichkeiten" für entsprechende Praxen.
Gesetzlich Krankenversicherte: Leichterer Vergleich, wie gut welche Kasse ist?
Für gesetzlich Krankenversicherte und Pflegeversicherte soll ein übersichtliches digitales Vergleichsportal geschaffen werden. Abrufbar sein sollen dort etwa Zahlen zu Genehmigungen, Ablehnungen und Widersprüchen bestimmter Kassenleistungen.
Aber auch Infos zur Bearbeitungsdauer und zur Qualität von Beratungs- und Unterstützungsangeboten soll das Register geben. Das könnte Patienten eine Entscheidungshilfe bieten, wenn sie ihre Krankenkasse wechseln möchten.
Menschen in sozial benachteiligten Stadtteilen und Regionen: Erst mal zum Gesundheitskiosk?
Eines der größten Projekte der Praxis-Reform ist der Aufbau von Gesundheitskiosken. Sie sollen Hausarztpraxen nicht ersetzen, sondern ein niedrigschwelliges ergänzendes Angebot sein - vor allem in sozial benachteiligten Regionen und Stadteilen, wie es im Gesetzentwurf heißt.
Bis 2028 sollen demnach bundesweit mehr als 200 Gesundheitskioske entstehen. Langfristig sollen es sogar 1.000 sein, informiert das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Website.
Einige Aufgaben der Gesundheitskioske: Patienten sollen hier "Unterstützung bei der Klärung gesundheitlicher und sozialer Angelegenheiten" bekommen. Auch bekomme man hier medizinische Behandlungen und Präventionsangebote vermittelt, so das Ministerium.
Außerdem sollen hier "einfache medizinische Routineaufgaben" durchgeführt werden, "z.B. Blutdruck und Blutzucker messen, Verbandswechsel, Wundversorgung und subkutane Injektionen - veranlasst von Ärztinnen und Ärzten".
In manchen Städten gibt es bereits Gesundheitskioske, zum Beispiel in Aachen. "Viele Klienten kommen zum Beispiel mit Arztberichten oder Anträgen für eine Pflegestufe vorbei", berichtet Mitarbeiterin Esra Öztürk dem WDR. Dann helfe man ihnen beim Ausfüllen - oder erst mal beim Verstehen.
Menschen auf dem Land, aber auch in Städten: Ausreichend Ärzte in der Zukunft?
Geplant ist eine Förderung, die für mehr Medizinstudienplätze sorgen soll. Zuständig sind eigentlich die Länder - künftig sollen aber für jeden vom Land finanzierten Platz noch zwei weitere Studienplätze finanziert werden. Auf diese Weise sollen bis zu 5.000 zusätzliche Medizinstudienplätze geschaffen werden, um den Ärztemangel zu bekämpfen.
Weitere Pläne sind der Wegfall von Vergütungs-Obergrenzen (Budgets) für Hausärzte, ein 30-Euro-Bonus für Versicherte, wenn diese zuerst zum Hausarzt gehen, und eine erleichterte Gründung kommunaler Medizinischer Versorgungszentren (MVZ).
Noch sei allerdings unklar, ob alle Vorhaben der Praxis-Reform finanziert werden können, sagt Arzt und Medizinjournalist Christoph Specht dem WDR. Die Kosten müssten am Ende die Versicherten tragen, meint er. Das bedeute: "Die Beiträge werden weiter steigen."
Über dieses Thema berichtete am 26.03.2024 auch die "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen.
Unsere Quellen:
- Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für ein Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune
- Eugen Brysch, Vorstand Deutsche Stiftung Patientenschutz, auf WDR-Anfrage
- Esra Öztürk, Mitarbeiterin des Gesundheitskiosk Städteregion Aachen, im Gespräch mit dem WDR
- Arzt und Medizinjournalist Christoph Specht im WDR-Interview
- Nachrichtenagenturen dpa, epd