Klara studiert "Angewandte Hebammenwissenschaften" an der Uni Köln. Auch wenn die Situation im Gesundheitswesen schwierig ist und immer mehr Kreißsäle schließen, will sie Hebamme werden. Natürlich hat Klara auch manchmal Zweifel. Was die 22-Jährige aber vor allem hat, ist ein Ziel: Für alle werdenden Mütter einen sicheren Raum zu schaffen, in dem sie ihre Kinder selbstbestimmt auf die Welt bringen können.
Praktikum im Kreißsaal wegen Netflix-Serie
"Dass ich Hebamme werden will, ist irgendwie auch einem lustigen Zufall zu verdanken. Ich habe eine Netflix-Serie geschaut, durch die ich auf die Idee gekommen bin, ein Praktikum im Kreißsaal zu machen. Für mich war schon lange klar: Mich interessiert der menschliche Körper. Und das, was mich am Beruf der Hebamme direkt begeistert hat, war der Gedanke, Gebärende zu unterstützen, etwas Konstruktives zu machen.
Ich wollte mich nicht nur mit Krankheit beschäftigen, sondern Menschen bei einem natürlichen Prozess begleiten, für sie einen Raum schaffen und da sein. Es klingt vielleicht ein wenig hoch gegriffen, aber: Ich wollte bei einem Wunder mitgehen.
In meinem Umfeld gab es anfangs Zweifel und viele Fragen: Kannst du mit den Körperflüssigkeiten umgehen? Die ganzen Hormone! Denkst du, du kannst das aushalten? Das hat mich anfangs schon verunsichert.
Kaiserschnitt gleich am ersten Tag
Im Vorpraktikum für mein Studium hatte ich dann großes Glück: Ich war in einem Kreißsaal, der von Hebammen geleitet wurde, und ich war die einzige Praktikantin. Dadurch konnte ich direkt viel miterleben.
An meinem ersten Tag, in den ersten zwei Stunden, gab es einen Kaiserschnitt und ich wurde direkt ins kalte Wasser geworfen. Am gleichen Tag habe ich dann auch direkt meine erste vaginale Geburt miterlebt, und das war rückblickend ein ganz besonderer Moment, weil die Frau ihr Kind so selbstbestimmt auf die Welt gebracht hat. Mit dem Wissen, das ich heute habe, weiß ich: Das war wirklich eine der tollsten Geburten.
Ich habe mich dann an mehreren Unis beworben und in Köln einen Studienplatz bekommen. Ich bin dankbar, dass das funktioniert hat und ich bin auch total begeistert von Köln, die Stadt bietet so viele Möglichkeiten.
Für viele von uns war der Weg hierher nicht geradlinig, wir kommen aus ganz verschiedenen Bereichen. Ich war zum Beispiel vorher am Theater, und mir ist wichtig, die Balance zwischen Privatleben, Studium und Beruf zu halten.
Kreißsaal statt Semesterferien
Unser Studium ist so aufgebaut, dass wir während des Semesters studieren und in den Semesterferien arbeiten. Wir sind über die ganze Stadt verteilt auf Wochenbettstationen, in Kreißsälen, in der Gynäkologie und auf Neugeborenen-Stationen eingesetzt.
Bald stehen außerdem noch Praktika an, ich freue mich besonders darauf, dass ich eine freiberufliche Hebamme begleiten darf, die Hausgeburten begleitet. Später so zu arbeiten, wäre auch für mich ein Traum. Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, später an eine Klinik zu gehen. Es wäre nur schön, wenn wir dort bis dahin einfach mehr Hebammen wären.
Der Traum: Eine Hebamme für jede Geburt
Unter den Studierenden tauschen wir uns viel über unseren Beruf und unsere Zukunftsaussichten aus. Es wäre für uns alle ein Traum, wenn eine Eins-zu-Eins-Betreuung unter der Geburt möglich wäre - also eine Hebamme eine Geburt durchgängig betreut und nicht zwischen Kreißsälen hin und her wechseln muss.
Oft geht das aber nur bei außerklinischen Geburten, also bei Geburten, die zu Hause oder zum Beispiel in einem Geburtshaus stattfinden. Deswegen zieht es mich dorthin.
Andererseits kann man in der Klinik auch Menschen betreuen, die keine einfache Schwangerschaft haben. Und ich merke gerade, wie viel Spaß es mir macht, das umzusetzen, was ich in der Uni gelernt habe. Dass ich mich auch mal an kompliziertere Fälle herantraue.
Die Entscheidung, ob ich nach dem Studium in einer Klinik oder außerhalb arbeite, ist deswegen noch nicht gefallen – und sie muss ja ohnehin nicht endgültig sein.
Schön ist auf jeden Fall, zu wissen, dass wir gebraucht werden. Es gibt uns Sicherheit, dass wir auf jeden Fall Arbeit finden werden. Aber wir machen uns natürlich auch Sorgen um unsere berufliche Zukunft. Die hohen Versicherungen, die Diskussion über die Fallpauschalen, die Frage nach dem Verdienst. Die Arbeitszeiten, die Unterbesetzung an vielen Kliniken, das beschäftigt uns.
Mehr Wertschätzung für die Geburtshilfe
Ich finde, wir müssen uns als Gesellschaft fragen: Was ist uns ein gutes Gesundheitssystem wert? Wie viel investieren wir und wie verteilen wir das Geld? Es ist einfach klar, dass in der Geburtshilfe mehr Geld gebraucht wird.
Deswegen müssen wir uns alle die Frage stellen: Woher kann das Geld kommen, damit Klinikpersonal gut bezahlt wird und eine gute Gesundheitsversorgung stemmen kann. Und wir müssen uns fragen: Wie wichtig ist uns Geburtshilfe und eine gute Betreuung von werdenden Eltern?
Was sich 2023 in der Geburtshilfe geändert hat
Zum 1. Januar 2023 ist der Pflegeschlüssel in der Gynäkologie und Geburtshilfe geändert worden - das bringt vor allem Verbesserungen in der Nachtschicht. Eine Pflegefachkraft muss sich nur noch um 15 Patientinnen statt wie bisher 18 kümmern. Tagsüber sind es jetzt 7,5 statt 8 Patientinnen.
Kliniken können bei Bedarf mehr Hebammen einsetzen
Außerdem fallen die Obergrenzen für Hebammen auf den Stationen weg. Bisher war es so geregelt, dass von den arbeitenden Pflegekräften in einer Tagschicht nur zehn Prozent Hebammen sein duften.
Heißt: Wenn auf einer Wochenstation eines Krankenhauses zehn Pflegefachkräfte arbeiten, durfte nur eine von ihnen Hebamme sein. Nachts lag die Obergrenze bei fünf Prozent. Dadurch, dass diese Grenzen jetzt wegfallen, können Kliniken Hebammen in Zukunft flexibler je nach tatsächlichem Bedarf einsetzen.
Zusätzlich soll es 2023 und 2024 mehr Geld für die Geburtshilfe geben. Die Bundesländer sollen jeweils rund 120 Millionen Euro bekommen, um die geburtshilfliche Versorgung zu unterstützen.
Wir vergessen das gerne, aber wir alle wurden ja mal geboren. Unser Beruf ist so wichtig und wir haben eine so große Verantwortung. Und gleichzeitig so viel Wissen, so viele Kompetenzen für die Betreuung von Geburten.
Wir können nicht nur medizinische, sondern auch emotionale Arbeit leisten. Nur leider können wir das gar nicht richtig ausschöpfen, eben weil eine Eins-zu-Eins-Betreuung mit den aktuellen finanziellen Mitteln kaum möglich ist.
Es kommen auch mal Zweifel auf
Natürlich zweifle ich auch mal. Gerade in stressigen Momenten, in denen ich das Gefühl habe, dass ich der Situation noch nicht gewachsen bin. Gerade wenn auf der Station, auf der wir im Einsatz sind, mehrere Geburten gleichzeitig stattfinden.
Da gibt es schon Momente, in denen ich mich überfordert fühle – ich studiere doch noch. Und wenn dann noch die Erschöpfung eines Nachtdienstes dazu kommt und man anfängt, über alle diese Dinge zu grübeln, dann kommen schon auch mal Zweifel auf. Aber sie sind noch nie so groß geworden, dass ich ernsthaft übers Aufhören nachgedacht habe.
Jede Person soll die richtige Hebamme finden
Dafür gibt es einfach auch viel zu viele schöne Dinge. Mein Herzensthema ist, dass ich für alle Gebärenden einen geschützten Raum schaffen will. Die Menschen, die zu uns kommen, sind sehr divers.
Und mir ist das so wichtig, dass jede Person, die zu uns kommt, die für sich richtige Hebamme findet - unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Bildungsstand, ihrer Sexualität, ihrer Geschlechtsidentität. Dass die Gebärenden so gesehen und angenommen werden, wie sie sind und wir den richtigen Weg finden, sie zu begleiten.
Eine Geburt hat so viel Potenzial. Und natürlich weiß ich, dass ich einen Beruf anstrebe, in dem auch viel Idealismus dabei ist. Aber ich finde, die Menschen haben einen Anspruch darauf, dass wir sie bestmöglich dabei begleiten, ihre Kinder auf die Welt zu bringen."