Wie sicher sind unsere Deiche? Aktuelle Stunde 08.06.2024 28:34 Min. Verfügbar bis 08.06.2026 WDR Von Katharina Spreier

Hochwasserschutz: So ist der Zustand der Deiche in NRW

Stand: 09.06.2024, 10:22 Uhr

In Österreich gibt es erneute schwere Überschwemmungen. Zuletzt waren in Süddeutschland Dämme gebrochen. Sind die Deiche in NRW auf eine solche Katastrophe vorbereitet?

Überflutete Straßen und evakuierte Siedlungen - die Bilder aus den Hochwassergebieten in Süddeutschland und Österreich schockieren. Und obwohl sich die Fluten in Bayern und Baden-Württemberg zurückgezogen haben, ist die Gefahr nicht gebannt. Erst in der Nacht zu Sonntag haben erneut schwere Regenfälle Überflutungen in Teilen Österreichs ausgelöst.

Angesichts der Häufung katastrophaler Extremwetterlagen hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) ein neues Gesetz zum besseren Schutz vor Hochwasser in Deutschland angekündigt. Um Schäden gering zu halten, brauche es "starke Deiche und einen gut ausgestatteten Katastrophenschutz".

Beim Hochwasserschutz in NRW sieht es allerdings nicht rosig aus: Seit Jahrzehnten sei die Sanierung der Deiche vernachlässigt worden, räumte NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) bereits im vergangenen Dezember ein. In einem Ende November veröffentlichten Bericht zur Deichsanierung an den Landtag nannte er die Sanierung von Deichen in NRW "eine Daueraufgabe".

Daran hat sich nichts geändert: "Die großräumigen Winter-Hochwasser in NRW und jetzt die schweren Hochwasser in Saarland, Bayern und Baden-Württemberg zeigen, dass wir unser Land gegenüber solchen Naturgewalten stärken müssen", sagte Krischer am Dienstag dem WDR. "Die Hochwasserlagen zeigen, wie wichtig es ist, den Hochwasserschutz insgesamt zu stärken."

Wie viele Deiche müssen saniert werden?

An NRW-Flüssen gibt es auf einer Länge von rund 530 Kilometern Deiche. Bei mindestens der Hälfte bestehe Handlungsbedarf, räumt das zuständige Umweltministerium im vergangenen Dezember ein. Es werde geprüft, was genau wie saniert oder neu gebaut werden müsse.

Seit 2014 gibt es einen Fahrplan, in dem aktuell 44 Deich-Sanierungsprojekte am Rhein enthalten sind. Die Pläne für 16 dieser Maßnahmen sind nach Angaben des Umweltministeriums bereits genehmigt, vier davon werden derzeit umgesetzt. Bei insgesamt 20 Maßnahmen zieht sich die Planungsphase weiter in die Länge. Diese Deichsanierungen sollten ursprünglich bis 2025 erledigt sein.

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Warum verläuft die Sanierung schleppend?

Ein wesentlicher Grund dafür ist der Mangel an Fachkräften in den Bezirksregierungen. Dort werden die Sanierungspläne genehmigt. Für den Neubau oder die Sanierung von Deichen sind Hochwasser-Experten gefragt. Doch hier gibt es seit Jahren zu wenige Leute, die dafür ausgebildet sind.

Das Land hat zwar 2022 neue Stellen geschaffen, doch das reiche nicht, sagte NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) dem WDR bereits im Dezember. "Es kann ja nicht irgendwer einen Deich planen, das müssen Experten sein. Wir brauchen Bauingenieure. Das ist der Flaschenhals", so der Minister. Auch vorhandenes Personal in den Bezirksregierungen solle nun dafür qualifiziert werden.

Welche Rolle spielt die Gesetzeslage?

Eine große. Die gesetzlichen Auflagen für die Genehmigungsverfahren sind umfangreich und kompliziert. NRW-Umweltminister Krischer will diese Verfahren vereinfachen, wie er im Dezember angekündigt hat: "Wir hinken auch Planungen aus dem letzten Jahrzehnt hinterher, weil die Verfahren sehr komplex sind."

Zudem komme es regelmäßig zu Verzögerungen, weil Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssten, so das Umweltministerium. Aber auch Klagen von Anwohnern oder die "Belange des Natur- und Artenschutzes" würden bei einzelnen Projekten zu Verzögerungen führen.

Wer ist konkret für den Hochwasserschutz zuständig?

Für den Hochwasserschutz vor Ort sind jeweils Wasser- oder Deichverbände zuständig. Sie werden häufig zwar ehrenamtlich geführt, sind aber öffentlich-rechtliche Körperschaften. Ihre Organisation ist über das Wasserverbandsgesetz (WVG) klar geregelt.

So gibt es neben der Mitgliederversammlung etwa noch einen Verbandsausschuss (oder auch "Erbentag" genannt), einen Verbandsvorstand ("Deichstuhl") sowie einen Vorsteher bzw. Repräsentanten des Verbandes ("Deichgräf" oder "Deichgraf").

Wie sind Deiche in NRW aufgebaut?

Beim Aufbau der Deiche kommt das Drei-Zonen-Prinzip zum Einsatz. Dabei werden Materialien verwendet, die unterschiedlich wasserdurchlässig sind. An der Wasserseite wird eine gering durchlässige Dichtungsschicht aufgetragen (meist aus Lehm). Der Kern des Deichs (auch Stützkörper genannt) besteht aus durchlässigerem Material wie Sand oder Kies.

Drei-Zonen-Deich | Bildquelle: WDR

An der Landseite gibt es einen Filter aus stark durchlässigem Material. Der Grund für diesen Aufbau: Ein Deich soll das Flusswasser nicht komplett abhalten. Das Wasser soll zwar gebremst werden, dann aber langsam und kontrolliert über Sickerlinien durch den Deich geleitet und in einen Entwässerungsgraben (Deichseitengraben) ablaufen.

Wo erfahre ich die Wasserstände in meiner Nähe?

Aktuelle Wasserstandsdaten für NRW stellt das Landesumweltamt (LANUV) in einer interaktiven Wasserstandskarte online zur Verfügung. Darauf können die Wasserstände der Messstellen angeklickt werden. Es kann aber auch nach "Einzugsgebiet" und "Gewässer" gesucht werden.

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 08.06.2024 auch im Fernsehen in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagentur DPA
  • NRW-Umweltministerium
  • WDR-Redaktion Landespolitik