Die Türkei in Aufruhr: Proteste gegen Imamoglu Festnahme

Aktuelle Stunde 22.03.2025 42:33 Min. UT Verfügbar bis 22.03.2027 WDR Von Alexa Schulz

İmamoğlu-Festnahme: Demo in Köln, Massenproteste in der Türkei

Stand: 23.03.2025, 07:55 Uhr

In der Türkei und in NRW demonstrieren Menschen gegen die Festnahme des türkischen Oppositionspolitikers İmamoğlu. So sah es am Samstag in Köln bei der CHP-Demo aus.

Treffpunkt der CHP-Anhänger war der Kölner Heumarkt. Nach der Festnahme des türkischen Oppositionspolitikers Ekrem İmamoğlu kamen laut Polizei am Samstag etwa 1.500 bis 2.000 Teilnehmende zusammen, um gegen die Verhaftung zu demonstrieren. 

İmamoğlu ist der Istanbuler Oberbürgermeister, er gehört der Partei CHP an. Die türkische Oppositionspartei CHP will den festgenommenen İmamoğlu am Sonntag zu ihrem Präsidentschaftskandidaten wählen.

Politischer Rivale von Präsident Erdoğan

Er gilt als wichtigster politischer Rivale von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Ihm wird unter anderem Korruption und Unterstützung der PKK vorgeworfen, İmamoğlu bestreitet die Vorwürfe. Er spricht von einem "politischem Putsch".

Am Heumarkt in Köln demonstrieren Anhänger der türkischen Partei CHP

CHP-Demo in Köln

Für seine Anhäger am Kölner Heumarkt ist die Verhaftung politisch motiviert. Sie sorgen sich außerdem um die Demokratie und die Justiz in der Türkei.

Am Heumarkt in Köln demonstrieren Anhänger der türkischen Partei CHP

Viele Demonstrierende in Köln schwenken CHP-Fahnen

Bei der Demo in Köln hatten viele Demonstrierende Protestplakate dabei, teils selbst gebastelt. Die Texte waren in verschiedenen Sprachen verfasst. Auf einem steht "No more silence, no more Erdoğan", auf einem anderen lautete die Botschaft: "Wehrt euch". Viele Menschen schwenkten Fähnchen mit der Aufschrift "CHP".

Proteste in der Türkei

Seit Tagen protestieren zehntausende Menschen in der Türkei gegen İmamoğlus Festnahme - trotz eines Demostrationsverbots. Imamoglus Anhänger glauben, dass er nur deshalb festgenommen wurde, weil Präsident Erdoğan ihn als Konkurrenten fürchtet. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt Untersuchungshaft für ihn beantragt - am Sonntagmorgen soll ein Richter darüber entscheiden. Dem wird İmamoğlu wie fast 90 weitere Angeschuldigte nacheinander vorgeführt.

Bei den landesweiten Protesten in der Türkei sind nach jüngsten Informationen Hunderte festgenommen worden. Die Polizei ging mit Pfefferspray, Tränengas und Gummigeschossen brutal gegen die Demonstrierenden vor, etwa in Istanbul. Aber auch in anderen großen Metropolen der Türkei wie Izmir und Ankara gab es gewaltsame Szenen - die Polizei setzte Wasserwerfer ein, um die Menschen auseinanderzutreiben.

Wasserwerfer der Polizei zielen auf die Protestler in Ankara

Proteste am 22.3.2025 in Ankara, die Polizei setzte Wasserwerfer ein

Ekrem İmamoğlu war am Mittwoch kurz vor seiner geplanten Nominierung als Präsidentschaftskandidat der CHP, der größten Oppositionspartei, festgenommen worden. Am Sonntag will die CHP ihn nun trotz seiner Festnahme als Präsidentschaftskandidaten präsentieren.

Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu spricht zu seinen Anhängern vor dem Istanbuler Gerichtsgebäude

Istanbuls Bürgermeister Ekrem İmamoğlu

Strafen für Medien angedroht

Am Samstagabend hat das Istanbuler Gouverneursamt die Protestverbote für die Stadt verschärft und verlängert. Es gelten auch Zugangsbeschränkungen für die Stadt. Gleichzeitig drohte die türkische Medienaufsicht RTÜK mit Strafen und Lizenzentzug im Falle "unwahrer Berichterstattung".

"Wir fordern die Medien erneut auf, sich nicht auf parteiische und unwahre Berichterstattung zu stützen, sondern ausschließlich offizielle Informationen und Erklärungen der zuständigen Behörden zu veröffentlichen" schrieb der Chef der RTÜK, Ebubekir Sahin, auf der Plattform X. Andernfalls würden Maßnahmen ergriffen, die "bis hin zu langfristigen Sendeverboten und letztendlich sogar zum Lizenzentzug reichen". Er spreche "eine letzte Mahnung" aus. Berichten zufolge stellten einige Sender ihre Live-Berichterstattung von Demonstrationen im Land ein. 

Weitere Proteste nicht ausgeschlossen

Der Leiter der Türkei Redaktion im WDR, Tuncay Özdamar, beobachtet mit Sorge die Lage im Land. İmamoğlu sei beliebter als Präsident Erdoğan.

"Für mich ist die Demokratie in der Türkei in ganz großer Gefahr", sagt Özdamar. Erdoğan habe seinen größten Widersacher, İmamoğlu, ins Gefängnis gesteckt. "Er weiß ganz genau, bei der nächsten Wahl würde er gegen İmamoğlu verlieren." Eigentlich versuche Erdoğan seit 2019, als İmamoğlu zum ersten Mal zum Istanbuler Bürgermeister gewählt worden war, ihn zu stoppen.

Ähnlich äußerte sich Dilek Demircan-Dursun, Generalsekretärin des CHP-Dachverbands Deutschland. Im Gespräch mit den WDR sagte sie auf der Demo in Köln: Die türkische Regierung habe große Angst. "Die Regierung spürt und weiß ganz genau, dass der Regierungswechsel nahe ist." Weiter sagte sie:

"Die Regierung weiß ganz genau, dass Ekrem İmamoğlu immer ein ernst zu nehmender Präsidentschaftskandidat ist und daher diese Vorgehensweise der Regierung." Dilek Demircan-Dursun, Generalsekretärin des CHP-Dachverbands Deutschland

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter bei der Demo am Heumarkt
  • WDR-Interview mit Tuncay Özdamar, Leiter der Türkei Redaktion im WDR
  • Polizei Köln
  • Nachrichtenagentur dpa

Über dieses Thema berichten wir am 22.03.2025 auch im WDR Fernsehen: Aktuelle Stunde, ab 18.45 Uhr.